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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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darauf wohl nicht mehr allzu lange warten musst«, erwiderte Sforza. »Und der Grund dafür, dass ich hier ausharre, ist ganz einfach. Ich bin nämlich ehrgeizig. Mag zwar keine sehr angenehme Eigenschaft sein, aber ich kann es nicht ändern. Ich weiß nur zu gut, was du mit dieser alles durchdringenden tristezza meinst, aber ich werd den Teufel tun, mir davon meine Karrierepläne durchkreuzen zu lassen.« Er kippte den Rest des Whiskys in sich hinein. »Wohingegen du, Aurelio, wenn du mir die Bemerkung erlaubst, kein Gramm Ehrgeiz in dir hast. Deshalb werde ich es in zwei bis drei Jahren zum Questore bringen, während du bis zur Pensionierung auf deiner jetzigen Sprosse der Karriereleiter stehen bleibst. Sollen wir einen Happen essen gehen?«
    »Ich hab keinen Hunger. Außerdem habe ich noch zu arbeiten.«
    Sforza wirkte schockiert. »Um diese Uhrzeit? Und nachdem du was getrunken hast?«
    Zen lächelte schwach. »Deine Analyse meines Charakters mag ja durchaus korrekt sein, Giovanni. Aber auch wenn ich nicht so viel Ehrgeiz besitze wie du, so habe ich zumindest ein Ziel. Ich will nämlich die Leute erwischen, die diesen armen Kerl entführt und ihn gezwungen haben, zu Fuß zu dem Ort zu gehen, den sie für seine Hinrichtung vorgesehen hatten, und die ihm dort den Kopf weggeblasen haben. Bis mir das gelungen ist, wird mich selbst ein gutes Essen nicht besonders interessieren, geschweige denn dieser Fraß, den man einem hier vorsetzt. Buon appetito , però .«

18
    Die alte Frau wälzte sich auf der klumpigen, durchhängenden Matratze hin und her, doch der Schlaf wollte sie nicht holen. Maria lag im Bett und wartete auf den Schlaf wie auf einen Liebhaber, aber der Schlaf kam nicht. Sie war zu alt. Der Schlaf wollte sie einfach nicht mehr.
    Im Haus war es nun endlich wieder still, der Rest der Familie schlief. Das ganze Dorf war still bis auf das Piepsen eines Videospiels, das aus dem Haus auf der anderen Seite der Gasse drang, wo Francesco Nicastro mit dem Spiel spielte, das er zu seinem neunten Geburtstag bekommen hatte. Da ging es um viel Gewalt und Blutvergießen, doch Francesco war fasziniert davon. Abgesehen davon war das Dorf scheinbar ganz still, doch Maria konnte durch die Wände das Flüstern und Raunen auf den Straßen spüren wie das Huschen von Ratten, so wie es ganz am Anfang gewesen war. Irgendjemand hatte etwas erfahren, und diverse verwässerte und verfälschte Versionen waren in der Gemeinde kursiert. Der gemeinsame Nenner war, dass alles das Werk einer gewissen Person war und dass niemand in irgendeiner Weise eingreifen oder sich einmischen dürfe. Diese Forderungen waren eingehalten worden. Mehrere Leute hatten gesehen, wie der Tote ankam, sein Auto parkte und den Pfad zum alten Dorf hinaufging. Einige Zeit später hatte es einen dumpfen Knall gegeben, von dem man unmöglich sagen konnte, wo er herkam. Dann brach die Nacht herein, und am nächsten Morgen war das parkende Auto verschwunden. Niemand kletterte je zu den Ruinen hinauf, außer zum Fest von San Martino, und jetzt war ganz bestimmt niemand dort. Kurz gesagt, das Leben hatte wieder seinen gewohnten Lauf genommen, als ob dieser Zwischenfall nie stattgefunden hätte, bis zu diesem Abend, als die Polizei plötzlich in großer Stärke einfiel und die Stadt belagerte. Ihre schrecklichen Hubschrauber kreisten wie Geier über der Gegend, und ihre Panzerwagen versperrten sämtliche Ausfahrten.
    Alle waren sich darin einig, dass es so etwas seit dem Krieg nicht mehr gegeben hatte. Maria hatte allerdings weiter zurückreichende und dunklere Erinnerungen, an faschistische Folterknechte, die über eine Stadt herfielen, wo die Menschen sich zu einer Kundgebung versammelt hatten, um anständige Löhne zu fordern, von denen man leben konnte, und die diese dann kaltblütig niederschossen. Diesmal jedoch hatte sie das Geschehen nicht persönlich beobachtet. Sie war schon seit Monaten wegen eines Arthritisanfalls bettlägerig und war in ihrem Zimmer geblieben. Ein junger Polizist, der wie ein Soldat angezogen war, hatte die Frechheit besessen, ohne anzuklopfen ihre Tür zu öffnen - sie hätte ja im Evaskostüm sein können - und seine Maschinenpistole auf sie zu richten. Er hatte zumindest den Anstand gehabt, sich zu entschuldigen und wieder zurückzuziehen, sobald er die Situation erfasst hatte, doch der Rest der Familie war nicht so glimpflich davongekommen. Sie waren im Wohnzimmer zusammengetrieben, dann einzeln herausgeholt und von zwei äußerst

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