Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
unangenehmen Männern verhört worden, die so ähnliche Anzüge getragen hatten wie il morto . Nach dem Verhör wurden sie in die Küche gebracht und dort unter strenger Bewachung festgehalten, bis alle Familienmitglieder befragt worden waren. Erst dann erlaubte man ihnen, sich wieder zusammenzusetzen und das Erlebte auszutauschen. An diesem Punkt hatte Maria sich zu ihnen gesellt.
Trotz aller Einschüchterungen und Drohungen - einer der Rowdys hatte sogar die schriftliche Genehmigung für die illegale obere Etage sehen wollen, die man auf das Haus gesetzt hatte, um Maria unterzubringen, als sie nicht mehr allein zurechtkam - hatte niemand etwas gesagt. Interessant war allerdings, was die Polizei gefragt hatte. Das Auto, das am Stadtrand geparkt hatte, was für eine Marke war das gewesen? Welche Farbe? Wie lautete das Kennzeichen? Wann war es gekommen? Wann war es weggefahren worden und von wem? Diesen Fragen konnte man sehr viel schwerer ausweichen, besonders als allmählich klar wurde, dass die Bullen die Antworten bereits kannten. Wie konnte so ein luxuriöser Mietwagen am Rande eines solchen paese di merda herrenlos herumstehen, ohne bemerkt zu werden, ohne dass jemand versuchte, in ihn einzubrechen, oder ohne dass er gar gestohlen wurde? Alle sechs Angehörigen aus den zwei Generationen der Familie stellten sich dumm und beharrten darauf, dass sie nicht dort gewesen seien und nichts gehört und gesehen hätten. Doch in ihren Köpfen waren sie alle zur gleichen Gewissheit gelangt. Niemand außerhalb des Ortes wusste über die Ankunft und das anschließende Verschwinden des Wagens Bescheid außer »Ihm«. Und wenn die Polizei es jetzt wusste, hieß das, dass irgendwer geredet hatte.
Schließlich waren die Hubschrauber davongeschwirrt, die Uniformierten und Anzugträger abgezogen, und die Machtdemonstration war damit beendet. Doch Maria spürte, dass die Sache noch nicht ausgestanden war. Die achtundsiebzig Jahre, die sie nun schon auf Erden weilte, hatten ihr viele unwillkommene Gaben eingebracht, vor allem jenes dunkle Geheimnis, das sie den größten Teil ihres Lebens gewahrt hatte und mit ins Grab nehmen würde. Die vielen Jahre in dieser erbarmungslosen Landschaft, der einzigen, die sie je gekannt hatte und die sie wider alle Vernunft liebte, hatten ihr außerdem einen sechsten Sinn für drohendes Unheil gegeben. Obwohl sich die Kräfte der Staatsgewalt anscheinend ratlos zurückgezogen hatten, hatte diese Ahnung sie jetzt ganz fest ergriffen, was vielleicht der Grund war, weshalb sie als Einzige im Haus nicht schlafen konnte. Für ihre fein abgestimmten Sinne war es so offenkundig und unstrittig wie für Vögel ein nahendes Unwetter. Was sie jedoch ebenso wenig wie die Vögel wusste, war, wann es zuschlagen würde und aus welcher Richtung. Ihr würde nichts passieren, doch Maria machte sich keine Sorgen mehr um sich. Sie wollte, dass ihre Familie in Sicherheit war, aber die Vorzeichen waren klar. Sie hatte versucht, sie zu ignorieren, so wie sie auch immer versuchte, das erste leichte Stechen zu ignorieren, das einen ihrer arthritischen Anfälle ankündigte, und das genauso vergeblich. Nun hatte sie keine Zweifel mehr. Mit ungeheurer Mühe kletterte Maria aus dem Bett, kniete sich ganz langsam und vorsichtig vor das Bild ihrer Namensschwester an der Wand und hoffte wie immer, dass der Schmerz, den ihr das bereitete, die Wirksamkeit ihrer Gebete verstärken würde, die sie wie immer in der lateinischen Liturgie aus ihrer Jugendzeit sprach. Sancta Maria, ora pro nobis .
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Tom Newman streckte genüsslich die Beine aus, schlug die Füße übereinander und lehnte sich zurück, um sich die Show anzusehen. Sie war für ihn ziemlich spektakulär. Jenseits der eng zusammenstehenden Tische, Stühle und zugeklappten Sonnenschirme auf dem abgetrennten Bereich vor dem Café flanierten die jungen Schönen der Stadt in Paaren, Trios oder größeren Gruppen die Straße auf und ab und schlängelten sich an ähnlichen Cliquen von jungen Männern vorbei oder zwischen ihnen durch. Bis auf ganz wenige Ausnahmen nahm keines der Geschlechter die Existenz des anderen offen zur Kenntnis, doch jede Seite war sich der Anwesenheit der anderen genau bewusst, ebenso wie der aller anderen Leute auf der Straße einschließlich des jungen Amerikaners, der bei einem Bier und einer Zigarette draußen vor einem Café in der Fußgängerzone des Corso Mazzini saß.
Und die meisten dieser Schönheiten waren echte Schönheiten. Tom hatte
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