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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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verschlossenen Türen in seinem Büro mit einem der Klienten verbracht, mit denen er lieber nicht in der Öffentlichkeit gesehen werden wollte. Bei der Besprechung ging es um ein Angebot, das der fragliche Klient eingereicht hatte, um den Auftrag für den Ausbau eines dreißig Kilometer langen Abschnitts der gebührenfreien regionalen Autobahn A3 zu erhalten, um diesen dem Standard des übrigen nationalen Autobahnnetzes anzupassen und für seine Benutzung das gleiche Geld verlangen zu können. Die jüngsten politischen Veränderungen sowohl in Rom als auch auf lokaler Ebene hatten diese Art Verhandlungen schwieriger gemacht als früher und möglicherweise auch gefährlicher. Das war alles sehr lästig, und für Mantega war das Schlimmste daran, dass er seinen Klienten davon überzeugen musste, dass eine solche Veränderung tatsächlich stattgefunden hatte, dass nun Geduld und Takt erforderlich waren, um die daraus resultierenden Probleme zu lösen, und dass weder er noch sonst jemand einfach wie in den guten alten Zeiten ein paar Anrufe machen konnte, und die Sache war erledigt.
    Mantega hatte sein Bestes getan, doch er war mit den Gedanken woanders gewesen. Sein Klient musste das bemerkt haben, denn er hatte einige sehr spitze Bemerkungen darüber gemacht, dass er sich möglicherweise »woanders Rat holen müsse«, bevor er das Gebäude durch den Notausgang auf der Rückseite verlassen hatte. Unter anderen Umständen wäre Mantega angesichts der Macht und der weit verzweigten Beziehungen des fraglichen Klienten über diese versteckte Drohung sehr beunruhigt gewesen. Doch so, wie die Dinge lagen, kümmerte es ihn eigentlich einen Dreck. Sein Treffen mit Giorgio am gestrigen Tag und nun die Nachricht von der Polizeirazzia in Altomonte ließen solche Probleme ziemlich trivial erscheinen. Die Schätzungen über die Zahl der an der Razzia beteiligten Beamten gingen stark auseinander, doch das Wesentliche war, dass es eine Operation von diesem Ausmaß in der Region schon seit Jahren nicht mehr gegeben hatte. Und das war nur das, was nach außen hin sichtbar geworden war. Wenn hundert oder mehr Beamte den Auftrag gehabt hatten, die Einwohner einer abgelegenen Ortschaft in aller Öffentlichkeit in Angst und Schrecken zu versetzen, würde die gleiche Anzahl - oder sogar noch mehr - hinter den Kulissen daran arbeiten. Irgendwas Größeres war im Anzug, so viel war sicher.
    Das alles brachte Mantegas Gedanken zurück zu seiner Beziehung zu Giorgio. Sie waren in San Giovanni in Fiore zusammen zur Schule gegangen, doch Mantega hatte Giorgio anschließend aus seinem Gedächtnis gestrichen, bis dieser Jahre später bei ihm auftauchte und um Hilfe bat, nachdem man ihn aus seinem Job als Wachmann gefeuert hatte. Als freundschaftliche Geste einem alten Klassenkameraden gegenüber, der in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, hatte Mantega ihn mit einer Bande von Kleinkriminellen in der Stadt bekannt gemacht, die bewaffnete Raubüberfälle verübten, Lkws klauten, ein bisschen Drogen importierten und gelegentlich ein unbedeutendes Kidnapping inszenierten. Das war ein oder zwei Jahre lang gutgegangen, doch schließlich hatte die Bande Giorgio rausgeschmissen, weil, wie der capo es ausdrückte, der Kerl »völlig durchgeknallt« wäre.
    Giorgio hatte dann sein eigenes Geschäft angefangen und dafür das größtenteils karge und von niemandem beanspruchte Gebiet zwischen Cosenza und Crotone genutzt, sich aber auch gelegentlich in die Außenbezirke beider Städte vorgewagt. Die Geschichte, die Mantega neulich abends Tom Newman über das Aspromonte erzählt hatte, war natürlich bewusst irreführender Unsinn gewesen. Giorgio würde es nie wagen, sich im Aspromonte-Gebirge blicken zu lassen. Die n’drangheta war nämlich extrem territorial eingestellt, allerdings interessierten sich die Clans wenig oder gar nicht für Angelegenheiten außerhalb ihrer Grenzen. Deshalb war es Giorgio gelungen, sich einen bescheidenen, aber florierenden Handel in seinem heimischen Terrain aufzubauen, für den Mantega als allgemeiner consigliere und Mittelsmann fungierte. Als ihn dann ein Amerikaner namens Peter Newman für ein Filmprojekt als Kontaktperson zu den lokalen Behörden engagierte, hatte Mantega sofort die unwiderstehliche Chance erkannt, die angebotene Bezahlung mindestens zu vervierfachen, indem er Giorgio suggerierte, dass das doch ein vielversprechender Kandidat für eine Entführung wäre.
    Das alles war ihm zu dem Zeitpunkt ganz plausibel

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