Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
erschienen, aber seit dem Treffen in der verlassenen Scheune war Mantega zutiefst verstört. Giorgio war von Natur aus launisch und gewalttätig, allerdings hatte sich Mantega bisher noch nie von ihm bedroht gefühlt. Doch die Art, wie ihm das Bündel Geldscheine als endgültige Zahlung, über die keine weiteren Verhandlungen möglich waren, präsentiert worden war, verbunden mit den angedrohten Vergeltungsmaßnahmen, falls er reden würde, und der lapidaren Erklärung, dass Newman tot sei, hatte ihm Angst eingejagt. Der Baulöwe, mit dem er an diesem Abend verhandelt hatte, wollte einen Mordsreibach machen, Giorgio aber war ein Mörder.
Mantega verstaute mehrere belastende Dokumente, die auf seinem Schreibtisch gelegen hatten, im Safe, schaltete das Licht aus, schloss die Tür ab und ging langsam die Treppe hinunter. Dabei sinnierte er weiter über das Problem, das ihn schon den ganzen Abend beschäftigt hatte. Am Ausgang des Bürogebäudes kam ihm plötzlich die Lösung. Er musste mit allem rechnen. Vielleicht wurde er in dem Moment, wo er das Haus verließ, verhaftet, um noch einmal von diesem abgebrühten Schweinehund verhört zu werden, den sie als Vertretung für Gaetano Monaco hierhergeholt hatten. Giorgio hatte gut reden, wenn er ihm einschärfte, er sollte selbst unter Zwang nichts sagen, aber das wäre verdammt viel einfacher, wenn man genau wusste, was man nicht sagen durfte. Doch angesichts der jüngsten Entwicklungen hatte Mantega davon keine Ahnung, also war die Situation ernst genug, um einen Anruf bei Giorgio zu rechtfertigen.
Er ging um die Ecke zu der Telefonzelle, die er auch gestern Abend benutzt hatte. Mantega tendierte dazu, Giorgios Warnung, dass er verfolgt würde, als reinen Bluff abzutun, achtete aber genau darauf, was auf der Straße vor sich ging, bevor er den nächsten Schritt unternahm. Einige Autos fuhren vorbei, doch die Insassen würdigten ihn keines Blickes. Das einzige Lebenszeichen kam von einem jungen Paar, dessen Rendezvous offenbar schlecht gelaufen war und das sich nun weithin hörbar stritt, während es auf der anderen Straßenseite nach Hause ging. Die Frau erklärte mit lauter Stimme, sie würde sich lieber auf der Stelle umbringen, statt sich so beleidigen zu lassen, und damit wäre die Sache erledigt - und du auch, du eiskalter, herzloser Dreckskerl!
Selbst wenn Mantega wachsamer gewesen wäre, war es unwahrscheinlich, dass er in ihr die Frau erkannt hätte, die vor zwei Tagen, als Tom Newman ankam, anscheinend jemanden vom Flughafen abgeholt hatte, oder in ihrem Partner den Fahrer des Lieferwagens, der genau an dieser Kreuzung in der Nähe der Telefonzelle in einen Unfall verwickelt gewesen war. In Wirklichkeit nahm er sie kaum wahr: Undercover-Agenten würden alles tun, um bloß keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, während dieses Paar hier sich die Seele aus dem Leib brüllte und alle Blicke auf sich zog, bis ein grelles farbloses Licht die Szene auf der Netzhaut fixierte. Einen Augenblick später hallte der Himmel wider, als ob alle Götter im selben Moment gefurzt hätten, und Hagelkörner so groß wie Kichererbsen prasselten auf die Straße, sprangen hoch in die Luft und hämmerten auf Mantegas Schädel.
Er raste in die schützende Telefonzelle und rief Giorgios Handynummer an. Niemand meldete sich, also wählte er die andere Nummer. Mantega wusste nicht, welches Telefon da klingelte. Giorgio hatte ihm eingeschärft, diese Nummer nie zu benutzen außer im äußersten Notfall, und bisher hatte er es auch noch nie getan.
»Pronto ? «
Mantega erkannte die mürrische Männerstimme nicht, doch es war schwer, bei dem Getrommel des Hagels auf dem Metalldach überhaupt etwas zu hören.
»Giorgio?«
»Nie gehört«, sagte die Männerstimme in dem abrupten, schnörkellosen Tonfall des Dialekts, mit dem Mantega aufgewachsen war und den er aus dem Mund des Anwalts aus San Francisco namens Peter Newman gehört hatte. Giorgio hatte ihm doch gesagt, dass Newman gestorben war. Was zum Teufel hatte das zu bedeuten?
»Mein Name ist Nicola Mantega. Ich habe geschäftlich mit Giorgio zu tun und muss ihn dringend sprechen.«
»Von Ihnen hab ich auch noch nie gehört«, sagte die Stimme. »Sie müssen sich verwählt haben.«
Zutiefst beunruhigt legte Mantega den Hörer auf. Die Nummer, die er angerufen hatte, stand vor ihm auf dem erleuchteten Display des Telefons und war identisch mit der, die er in einer Reihe von willkürlichen Ziffern versteckt in seinen Filofax
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