Sterben: Roman (German Edition)
gleiche Partie über den Augen.
»Was zum Teufel sollen wir nur tun?«, sagte ich.
Yngve antwortete nicht, sah sich im Zimmer um.
»Wir werden aufräumen müssen«, sagte er.
Ich nickte und verließ das Zimmer. Öffnete die Tür zur Waschküche, die parallel zur Treppe, an die Garage angrenzend, lag. Als ich die Luft dort einatmete, musste ich husten. Auf dem Fußboden lag ein Haufen Kleider, der so hoch war wie ich, fast bis zur Decke reichte. Der Fäulnisgeruch musste von ihm ausgehen. Ich schaltete das Licht an. Handtücher, Laken, Decken, Hosen, Pullover, Kleider, Unterwäsche, alles hatten sie hier abgeworfen. Die untersten Schichten waren nicht nur stockfleckig, sie waren verfault. Ich ging in die Hocke und steckte einen Finger hinein. Das Ganze war klebrig und feucht.
»Yngve!«, rief ich.
Er kam und stellte sich in den Türrahmen.
»Sieh mal«, sagte ich. »Hier kommt der Geruch her.«
Oben auf der Treppe hörte man Schritte. Ich richtete mich auf.
»Wir sollten rausgehen«, sagte ich. »Sonst denkt sie noch, dass wir herumschnüffeln.«
Als sie herunterkam, standen wir vor dem Gepäck mitten im Raum.
»Könnt ihr da schlafen?«, wollte sie wissen. »Man muss ein bisschen aufräumen, dann wird es schon gehen.«
»Wir haben uns gefragt, was mit dem Zimmer auf dem Dachboden ist«, sagte Yngve. »Was meinst du?«
»Das würde sicher auch gehen«, meinte sie. »Aber da oben bin ich schon ewig nicht mehr gewesen.«
»Wir gehen mal hoch und schauen es uns an«, sagte Yngve.
Das Zimmer auf dem Dachboden, das früher einmal Großmutters und Großvaters Schlafzimmer gewesen war, aber solange wir zurückdenken konnten, als Gästezimmer gedient hatte, war der einzige Raum im Haus, wo er nicht gewesen war. In ihm war alles noch wie früher. Der Fußboden war staubig, und das Bettzeug roch möglicherweise ein wenig muffig, aber auch nicht schlimmer als in einem Sommerhaus, in dem man nicht mehr gewesen war, seit man es gegen Ende des letzten Sommers verlassen hatte, und nach dem Albtraum im Erdgeschoss war es eine Wohltat, es zu betreten. Wir stellten unser Gepäck ab, ich hängte meinen Anzug an einer Schranktür auf, Yngve stellte sich ans Fenster, stützte die Arme auf den Sims und schaute auf die Stadt hinaus.
»Wir können ja damit anfangen, alle Flaschen wegzuräumen«, sagte er. »Wir bringen sie weg und holen uns das Pfand. Auf die Art kommen wir auch ein bisschen raus.«
»Das machen wir«, erwiderte ich.
Als wir in die Küche hinunterkamen, hörte man in der Auffahrt ein Auto. Es war Gunnar. Wir blieben stehen und warteten, bis er hochkam.
»Da seid ihr ja!« sagte er. »Lange nicht gesehen.«
Sein Gesicht war braungebrannt, die Haare waren blond, der Körper sehnig stark. Er hielt sich gut.
»Ich finde es gut, dass die Jungen hier sind«, meinte er zu Großmutter. Dann drehte er sich wieder zu uns um.
»Was sich hier abgespielt hat, ist einfach furchtbar«, sagte er.
»Ja«, sagte ich.
»Habt ihr euch ein bisschen umgesehen? Habt ihr gesehen, was er hier angerichtet hat?«
»Ja«, sagte Yngve.
Gunnar schüttelte grimmig den Kopf.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, erklärte er. »Aber er war euer Vater. Es tut mir leid, dass es so weit mit ihm gekommen ist. Aber ihr wusstet ja sicher, worauf es hinauslaufen würde.«
»Wir werden das ganze Haus putzen«, sagte ich. »Ab jetzt kümmern wir uns hier um alles.«
»Das ist gut. Heute Morgen habe ich das Schlimmste aus der Küche geholt und etwas Müll weggebracht, aber es ist noch ein bisschen was übriggeblieben.«
Er lächelte kurz.
»Ich habe einen Anhänger dabei«, fuhr er fort. »Kannst du kurz rausfahren, Yngve? Dann können wir ihn neben der Garage auf den Hof stellen. Die Möbel können ja so nicht stehen bleiben. Und die Kleider und alles. Wir fahren das ganze Zeug auf die Kippe. Ist das nicht das Beste?«
»Doch«, sagte ich.
»Die Jungs und Tove sind im Sommerhaus, ich bin nur in die Stadt gekommen, um euch guten Tag zu sagen. Und den Anhänger vorbeizubringen. Aber ich komme morgen Vormittag wieder vorbei. Dann bringen wir die Sachen weg. Es ist furchtbar. Aber so ist es nun mal. Ihr schafft das schon.«
»Ja, natürlich«, sagte Yngve. »Aber du hast doch sicher hinter meinem Wagen geparkt. Musst du dann nicht zuerst herausfahren?«
In den ersten Sekunden nach Gunnars Kommen hatte Großmutter uns angesehen und ihn angelächelt, aber dann verschwand sie wieder in sich selbst und starrte vor sich hin, als wäre
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