Sterben: Roman (German Edition)
Segelboot.
Yngve hielt an der Ampel, die im selben Moment auf Grün umschlug, so dass wir links abbogen, wo das kleine Einkaufszentrum mit Parkplatz auf dem Dach lag. Die von einer Ampel regulierte Betonrampe aufs Dach hinauf, wo es zum Glück, da es ein Samstag in den Betriebsferien war, ganz hinten einen freien Parkplatz gab.
Wir stiegen aus, und ich legte den Kopf in den Nacken und ließ den warmen Regen auf mein Gesicht fallen. Yngve öffnete den Kofferraum, und wir griffen uns so viele Tüten, wie wir tragen konnten, und nahmen den Aufzug zum Supermarkt im Erdgeschoss. Wir hatten beschlossen, dass es sich nicht lohnen würde, das Pfand für die Schnapsflaschen zu kassieren, wir würden sie stattdessen zur Müllkippe bringen, so dass unsere Bürde in erster Linie aus Plastikflaschen bestand und nicht schwer, nur lästig war.
»Magst du schon mal anfangen, Flaschen einzuwerfen, dann gehe ich noch mehr holen?«, sagte Yngve, als wir vor dem Pfandautomaten stehen blieben.
Ich nickte. Legte eine Flasche nach der anderen auf das Band, zerknüllte die leeren Tüten und warf sie in die zu diesem Zweck aufgestellte Mülltonne. Dass man mich dort sehen und sich über die große Zahl von Bierflaschen wundern konnte, war mir egal. Mir war alles gleichgültig. Die Zone, die erstmals entstanden war, als wir das Beerdigungsinstitut verlassen hatten, und um mich herum alles tot oder bedeutungslos wirken ließ, war größer und stärker geworden. Das Geschäft, das mit all den glänzenden und bunten Waren in grelles Licht getaucht lag, nahm ich kaum wahr, ich hätte ebenso gut irgendwo in einem Sumpf stehen können. Normalerweise war mir stets bewusst, wie ich aussah und was andere womöglich davon hielten, was sie sahen, manchmal gut gelaunt und stolz, bei anderen Gelegenheiten deprimiert und voller Selbsthass, aber niemals gleichgültig, es war niemals vorgekommen, dass die Augen, die mich sahen, mir nichts bedeuteten oder dass die Umgebung, in der ich mich aufhielt, ausgelöscht war. Doch so war es jetzt, ich war gefühllos, und diese Gefühllosigkeit überdeckte alles. Um mich herum lag die Welt wie ein Schatten.
Yngve kam mit mehreren Tüten an.
»Soll ich dich ablösen?«, sagte er.
»Nein, schon gut«, antwortete ich. »Aber du könntest schon mal einkaufen gehen. Wir brauchen auf jeden Fall Putzmittel, Gummihandschuhe und schwarze Müllsäcke. Und was zu essen.«
»Es ist noch eine Fuhre im Wagen. Die gehe ich vorher noch holen«, erwiderte er.
»Okay«, sagte ich.
Als ich die letzte Flasche eingeworfen und den Pfandbeleg bekommen hatte, ging ich zu Yngve, der vor dem Regal mit Putzmitteln stand. Wir nahmen Viss-Badreiniger, Meister Proper, Ajax-Allzweckreiniger, Ajax-Fensterputzmittel, Klorix, Schmierseife, Mr Muscle für besonders hartnäckige Flecken, Ofenreiniger, Spezialreiniger für Polstermöbel, Stahlwolle, Putzschwämme, Küchenlappen und Wischlappen, zwei Eimer und einen Besen, ein paar frische Frikadellen von der Fleischtheke, Kartoffeln und einen Blumenkohl von der Gemüsetheke mit. Darüber hinaus Brotbelag, Milch, Kaffee, Obst, eine kleine Palette Joghurt, ein paar Kekspackungen. Während wir durch das Geschäft gingen, sehnte ich mich bereits danach, die Küche mit all diesen neuen, frischen, glänzend unberührten Dingen zu füllen.
Als wir auf das Dach hinauskamen, regnete es nicht mehr. Um die Hinterräder des Wagens, wo es eine Vertiefung im Beton gab, hatte sich eine Pfütze gebildet. Es roch frisch dort oben, nach Meer und Himmel und nicht nach Stadt.
»Was denkst du, was eigentlich passiert ist?«, sagte ich, als wir durch das dunkle Parkhaus auf dem Weg nach unten waren. »Sie sagt, sie hat ihn im Sessel gefunden. Meinst du, er ist dort einfach eingeschlafen?«
»Wahrscheinlich«, sagte Yngve.
»Du meinst, sein Herz hat einfach aufgehört zu schlagen?«
»Ja.«
»Tja. So wie er gelebt hat, braucht einen das wohl auch nicht zu wundern.«
»Nein.«
Auf der restlichen Strecke zum Haus blieben wir stumm. Wir schleppten die Waren in die Küche, und Großmutter, die durch das Fenster auf uns herabgeblickt hatte, als wir kamen, wollte wissen, wo wir gewesen waren.
»Im Supermarkt«, sagte Yngve. »Jetzt müssen wir was essen!«
Er fing an, die Sachen aus den Tüten zu holen. Ich ging mit einem Paar gelber Handschuhe und einer Rolle Mülltüten bewaffnet ins Erdgeschoss. Als Erstes musste der Berg verfaulter Wäsche in der Waschküche raus. Ich blies Luft in die Handschuhe, zog sie an
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