Sterben: Roman (German Edition)
thermostatähnlichen Schalter kam, der wahrscheinlich die Herdplatte automatisch abstellen sollte. Yngve setzte sich ans Kopfende und zog die Zigarettenschachtel aus der Jacke, die er aus irgendeinem Grund nicht ausgezogen hatte. Auch ich hatte meine Jacke noch an, stellte ich fest.
Ich wollte nicht rauchen, es erschien mir schmutzig, gleichzeitig brauchte ich eine Zigarette und wühlte die Schachtel heraus. Als wir uns setzten, spornte dies Großmutter an. Ein weiteres Mal blitzten ihre Augen auf.
»Seid ihr heute den ganzen Weg von Bergen gekommen?«, sagte sie.
»Von Stavanger«, antwortete Yngve. »Da wohne ich jetzt.«
»Aber ich wohne in Bergen«, warf ich ein.
Hinter uns knisterte der Kessel auf dem Herd.
»So ist das also«, sagte sie.
Es wurde still.
»Wollt ihr einen Kaffee, Jungs?«, sagte sie plötzlich.
Ich begegnete Yngves Blick.
»Ich habe schon welchen aufgesetzt«, erklärte Yngve. »Er ist gleich fertig.«
»Stimmt ja«, erwiderte Großmutter. Sie schaute wieder auf ihre Hand, und mit einer jähen Bewegung, als hätte sie erst jetzt die Zigarette darin entdeckt, griff sie nach dem Feuerzeug und zündete sie an.
»Seid ihr heute den ganzen weiten Weg von Bergen gefahren?«, sagte sie und zog ein paarmal an der Zigarette, ehe sie uns ansah.
»Von Stavanger«, antwortete Yngve. »Wir haben nur vier Stunden gebraucht.«
»Ja, die Straßen sind heutzutage wirklich gut«, meinte sie.
Dann seufzte sie.
»Ach ja. Das Leben ist ein Gampf, sagte die Alte, denn sie konnte das K nicht sprechen.«
Sie lachte kurz auf. Yngve lächelte.
»Ein Kaffee ist jetzt genau das richtige«, sagte er. »Wir haben im Auto noch Schokolade. Ich geh sie holen.«
Ich hätte ihm am liebsten gesagt, dass er sie nicht holen solle, aber das ging natürlich nicht. Als er zur Tür hinaus verschwand, stand ich stattdessen auf, legte die kaum gerauchte Zigarette auf dem Rand des Aschenbechers ab, ging zum Herd und presste den Kessel auf die Platte, damit das Wasser schneller kochte.
Großmutter war erneut in sich selbst versunken und starrte auf den Tisch. Sie saß gebeugt, mit hängenden Schultern, und wiegte sich sachte vor und zurück.
Woran mochte sie denken?
An nichts. Da waren keine Gedanken. Konnten keine sein. Nur etwas Kaltes und Dunkles.
Ich ließ den Kessel los und sah mich nach der Kaffeedose um. Nicht auf der Arbeitsfläche neben dem Kühlschrank, auch nicht auf der gegenüberliegenden Arbeitsplatte neben der Spüle. Vielleicht in einem der Schränke? Ach nein, Yngve hatte sie doch schon gefunden. Aber wo hatte er sie hingestellt?
Da, verdammt. Auf der Dunstabzugshaube, wo die alten Gewürzgläser standen, hatte er sie abgestellt. Ich hob sie herunter und zog den Kessel von der Platte, obwohl das Wasser noch nicht gekocht hatte, nahm den Deckel ab und streute ein paar Löffel Kaffeepulver hinein. Es war trocken und schien alt zu sein.
Als ich aufblickte, sah Großmutter mich an.
»Wo ist Yngve?«, sagte sie. »Er ist doch nicht wieder gefahren, oder?«
»Aber nein«, antwortete ich. »Er wollte nur kurz zum Auto.«
»Aha«, sagte sie.
Ich nahm eine Gabel aus der Schublade und rührte ein wenig im Kessel, klopfte mit ihm anschließend ein paarmal auf die Platte.
»Jetzt muss er nur noch kurz ziehen, dann ist er fertig«, sagte ich.
»Als ich am Morgen hochkam, saß er im Sessel«, sagte Großmutter. »Er saß ganz still. Ich habe versucht, ihn zu wecken, aber es ging nicht. Sein Gesicht war weiß.«
Mir wurde übel.
Auf der Treppe hörte man Yngves Schritte. Ich öffnete den Schrank, um nach einem Glas zu suchen, aber es gab keins. Der Gedanke, eines der Gläser in der Spüle zu benutzen, war mir unerträglich, so dass ich mich vorbeugte und aus dem Wasserhahn trank, als Yngve hereinkam.
Er hatte seine Jacke ausgezogen und hielt zwei Bountys und eine Schachtel Camel in der Hand. Setzte sich und riss die Folie des einen Schokoriegels auf.
»Möchtest du ein Stück?«, fragte er Großmutter.
Sie warf einen Blick auf die Schokolade.
»Nein, danke«, sagte sie. »Aber esst ruhig.«
»Ich kann nicht«, sagte ich. »Der Kaffee ist fertig.«
Ich stellte den Kessel auf den Tisch, öffnete erneut die Schranktür und holte drei Tassen heraus. Ich wusste, dass Großmutter Würfelzucker in den Kaffee tat, und öffnete den langen Schrank an der anderen Wand, in dem die Lebensmittel standen. Zwei halbe Brote, vor Schimmel fast vollkommen blau, eine Tüte mit verschimmelten Milchbrötchen, ein paar
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