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Sterben War Gestern

Sterben War Gestern

Titel: Sterben War Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Waffender
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sichtlich zufrieden mit seiner Analyse des Tathergangs und lehnte sich entspannt zurück.
    „Warum?“
    „Warum was?“ Er zog seine Stirn in tiefe Falten. Das geschah immer, wenn er entweder etwas nicht verstand oder gleich ärgerlich wurde.
    „Was ist mit dem Motiv?“
    „Würden Sie mit einer Verrückten verheiratet sein wollen?“
    „Ich war mit einem Verrückten verheiratet, und statt ihn umzubringen, habe ich mich von ihm scheiden lassen.“ Sie stützte ihre Unterarme auf die Tischplatte, faltete ihre Hände und legte ihr Kinn darauf ab. „Aber ich bin auch eine Frau. Ich weiß nicht, wie das bei Männern abläuft.“ Sie lächelte. „Abgesehen davon glaube ich nicht, dass die Patienten in der Seerose tatsächlich verrückt sind. Sie brauchen vorübergehend Hilfe, weil in ihrem Leben etwas nicht rund läuft und sie darauf mit körperlichen Leiden reagieren. Es handelt sich nicht um eine Psychiatrie oder geschlossene Anstalt, es ist eine psychosomatische Fachklinik.“
    „Also, wenn ich die Ärztin richtig verstanden habe, wie hieß die noch gleich – Seifert?“, er hielt inne.
    „Meyfarth“, korrigierte sie ihn und wusste bereits, was er gleich sagen würde.
    „Genau. Die sagt doch, die Esser war bis auf die Knochen frustriert und hat nichts mehr auf die Reihe bekommen.“
    „Sie hat gesagt, die Frau war sehr sprunghaft in ihrem Verhalten und ihren Bedürfnissen, was einer chronischen Depression geschuldet war … “
    „… unter der sie schon einige Zeit gelitten hat. Sag ich doch“, nickte Werle, „der hatte die Schnauze voll von einer heulenden Ehefrau, mit der nichts mehr anzufangen war.“

„Und deshalb bringt er sie im Affekt um? Wenn er schon Monate, wenn nicht Jahre an ihren Zustand gewöhnt ist? Solche Leute sind eher co-abhängig und können sich nicht von ihren Partnern trennen.“
    „Das wiederum ist Frauenkram. Der Mann macht mir einen kerngesunden Eindruck, und irgendwie hat er es faustdick hinter den Ohren. So etwas spüre ich. Der spielt bloß.“
    Menschenkenner Erich Werle, dachte Sylvia Eberstätter und schaute verstohlen auf die Wanduhr, ob sie sich bald verabschieden könnte.
    „Wenn es so abgelaufen sein sollte – weshalb hat er dann seine Spuren nicht einfach beseitigt? Es wäre doch viel einfacher gewesen, den Kanister mitzunehmen und ihn zusammen mit den Gummistiefeln verschwinden zu lassen, als uns eine wilde Diebstahlsgeschichte aufzutischen.“
    „Weil er den Kanister in der Eile und dem ganzen Chaos vergessen hat. Holen konnte er ihn nicht mehr, das wäre zu riskant gewesen, wegen der Feuerwehr. Also hat er sich den Trick mit der eingeschlagenen Heckscheibe ausgedacht und nur die Schuhe verschwinden lassen. Er geht wahrscheinlich davon aus, dass wir sie finden werden.“
    „Sie halten den Mann tatsächlich für so ausgebufft? Der soll nach einem Mord im Affekt noch so geistesgegenwärtig gewesen sein? Das spräche für sehr viel gewohnheitsmäßige kriminelle Energie. So sieht er mir gar nicht aus. Und sein Check hat ergeben, dass er bisher noch nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist.“
    „Vielleicht ist es ja gar nicht im Affekt passiert, sondern war genau geplant. Sollte bloß genauso dilettantisch aussehen.“ Kaum hatte er den Satz zu Ende gesprochen, schüttelte er auch schon wieder den Kopf. „Nein, nein, das glaube ich doch nicht. Ich bin überzeugt davon, dass er am Strand ausgerastet ist. Sie haben gestritten, sie hat etwas gesagt, was ihn wild gemacht hat, oder vielleicht hat sie ihn ja auch bedroht und er hat einen Knüppel genommen, um sich zu wehren, und dann ist die Situation außer Kontrolle geraten.“
    „Ich glaube, wir sollten erst einmal die Obduktion abwarten. Dann wissen wir mehr über die genaue Todesursache und die Mordwaffe. Dass ein fast sechzigjähriger, kräftiger Bauunternehmer seine depressive, körperlich geschwächte Frau aus Notwehr umgebracht haben soll – das kann ich mir im Moment nur schwer vorstellen.“ Sie nahm ihre Handtasche und suchte nach ihrem Geldbeutel.
    „Warten Sie’s ab, ich werd es schon aus ihm rauskriegen.“ Er grinste wieder. „Und lassen Sie mal stecken, Ihr Bier zahl ich mit.“
    Nach dem Abendessen fragte Ewald Inge, ob sie noch Lust auf einen kleinen Strandspaziergang hätte, Luftschnappen vor dem Schlafen.
    „Schlafen …“, wiederholte sie versonnen. „Schön wär’s.“
    „Auch Schlafstörungen?“
    „Haben die nicht alle hier?“ Sie vergrub die Hände in ihrer Fleecejacke. Am

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