Sterben War Gestern
den Trümmern gefunden, der Stiel ist natürlich verbrannt, also keine Fingerabdrücke. Den genauen Todeszeitpunkt zu bestimmen ist bei derartigen Brandleichen bekanntermaßen nicht möglich, aber sie war schon tot, bevor der Raum angezündet wurde: kein erhöhter Kohlenmonoxidgehalt im Blut, keinerlei Rußpartikel in Lunge oder Magen.“
„Na, toll“, bemerkte Werle.
„Nachdem der Täter das Feuer gelegt hatte, lief er wahrscheinlich zum Strand“, übernahm Richie Göckel, ein schmächtiger Mann, der, wie der Kriminalhauptkommissar fand, aussah, als ob er ein gutes Stück Fleisch vertragen könnte. Doch der Chef der Spurensicherung war überzeugter Vegetarier und ernährte sich fast ausschließlich von Sojaprodukten. Kein Wunder, dass der Gürtel, der seine Jeans am Körper hielt, nicht nur optisch aus dem letzten Loch pfiff. „Wir gehen deshalb davon aus, weil es relativ frische Fußspuren gibt, die darauf hinweisen, dass jemand die Schuhe am Tatort ausgezogen hat und auf Socken geflüchtet ist. Ziemlich clever. Wir haben also keine Schuhabdrücke und können den Weg des Täters hin zum Tatort und den Weg davon weg nicht zusammenbringen.“
„Aber ihr habt doch wenigstens die Schuhgröße?“
Kriminalhauptkommissar Werle hatte seine Kollegin Eberstätter, die Herren Hoffmann aus der Rechtsmedizin und Göckel von der Spurensicherung bereits um 8 Uhr in sein Büro bitten lassen, und obwohl es Samstag war, hatte keiner von ihnen offen gemurrt. Oberkommissar Timo Heiser stand mangels ausreichender Stühle im Türrahmen und gähnte hinter vorgehaltener Hand.
„Schwer zu sagen“, antwortete Göckel, „es könnte sich aufgrund der ausgeprägten Mittelrille um Innenschuhe von größeren Gummistiefeln gehandelt haben. Die Fußspuren führen durch den Sand, in das kleine Waldstück, hin zu einem Parkplatz. Dort muss er in seinen Wagen gestiegen sein.“
„Ist das etwa unklar?“ Werle hasste Mutmaßungen. Jedenfalls bei anderen.
„Asphaltparkplatz, die Spuren verlieren sich dort, keine Reifenprofile, keine Ölspuren, nichts. Aber wir sind mit der Spurensicherung im Wald noch nicht durch. Wenn die Kollegen die dreihundert Meter querfeldein zentimeterweise durchgekämmt haben, wissen wir mehr. Aber das dauert noch.“
„Was ist mit den Fußabdrücken am Tatort?“
„Wir haben zahlreiche Abdrücke verschiedener Profile, die einen führen zur Klinik, die anderen zum Wald, einige verlieren sich im sandigen Nichts, manche am Tatort. Gut die Hälfte dürfte von den Feuerwehrleuten und Schaulustigen stammen. Bis wir ankamen, herrschte dort schon Volksfeststimmung.“
Werle ignorierte die Bemerkung und fragte stattdessen: „Wir suchen also Stiefel einer unbekannten Größe und Marke, die zu Socken einer unbekannten Größe und Marke passen, und finden möglicherweise noch ein paar Haare oder Fusseln in den Zweigen, die von jedem stammen könnten, der hier im Wald herumspaziert ist?“
„Genau“, antwortete Göckel und in seiner Stimme schwang deutlich der Unmut über die Ungeduld des Hauptkommissars mit. „Die Bilder der Fußabdrücke haben wir euch übrigens schon per E-Mail geschickt. Die Schuhe dazu müsst ihr schon selbst finden.“
„Noch was?“
„Sucht nach dem Besitzer des Hammers. Es ist ein älteres Modell, nicht neu gekauft. Viereckiges Eisen. Muss länger irgendwo herumgelegen haben, war sicher in Gebrauch. Könnte von einer Baustelle stammen, muss aber nicht.“
Werle warf seiner Kollegin einen langen Blick zu, der so viel heißen sollte wie: „Baustelle, siehste!“, und blickte dann zur Tür. „Ihr Job, Heiser.“
Weshalb der Chefermittler sein Team siezte, hatte den einfachen Grund, dass er selbst nicht geduzt werden wollte. Erich Werle war der Auffassung, dass man seinem Vorgesetzten Respekt entgegenbringen sollte und dass zu viele Vertraulichkeiten auf der Arbeit dem Betriebsklima schadeten. Er war nun einmal der Chef, und es machte überhaupt nichts, wenn man das an den Umgangsformen bemerkte. Dass sich alle anderen duzten, störte ihn nicht, im Gegenteil, es unterstrich seine These, etwas Besonderes zu sein. Sich ausgeschlossen zu fühlen, war ihm gänzlich fremd.
„Der Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des Ehemanns ist übrigens durch“, bemerkte der Oberkommissar, statt auf den Hammer zu reagieren. Jede Sisyphusarbeit blieb an ihm hängen, das war nichts Neues.
„Tja, dann werden Sie wohl einen Tag ohne mich auskommen müssen“, erwiderte Werle und klappte die
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