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Sterben War Gestern

Sterben War Gestern

Titel: Sterben War Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Waffender
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war, gerade entlassen ist, mich bittet, sie anzurufen, weil sie mir etwas zu sagen hat, mit Sicherheit ihre Freundinnen oder ihren Freund treffen will und sich mit ihnen telefonisch oder per SMS verabredet, aber ihr Handy ausstellt?“
    „Weil sie mit ihrem Freund im Bett liegt und nicht gestört werden will?“
    „Der muss aber ein ganz toller Hecht sein, wenn er sie – Moment! –“, sie legte die Stirn in Falten, ganz offensichtlich, um zu rechnen, „fast dreißig Stunden vom Telefonieren abhält.“
    „Ist dir noch nie passiert?“
    „Mit Männern? Nein.“ Die Antwort kam schnell und unüberlegt und Inge Nowak hätte sie gerne für sich behalten. Sie schaute Ewald nicht an. War das der Moment, in dem er sich von ihr abwenden würde? Hatte er gemerkt, dass sie kein Interesse an ihm als Mann hatte? War er gar nicht so tolerant, wie es den Eindruck machte, und wüsste morgen die ganze Klinik Bescheid? Sie spürte, wie sich eine Hitzewelle ankündigte.
    „Und mit Frauen?“ Er fragte das so leichthin, dass Inge leise lachen musste. Noch immer hob sie nicht den Kopf, sondern fixierte mit ihrem Blick die Forschungsplattform weit vor ihnen.
    „Nein. Mit Frauen auch nicht.“ Dann nahm sie all ihren Mut zusammen und sagte: „Jedenfalls nicht so lange.“ Wenn er jetzt das Thema wechselte, sich schnell erheben und vorschieben würde, er habe noch etwas zu erledigen, war es gelaufen.
    Er tat nichts dergleichen. Stattdessen nahm er einen Stein, holte aus und versenkte ihn im Wasser.
    „Angeber!“
    „Jungs werfen eben weiter.“
    Ruckartig drehte sie sich zu ihm und sah ihn angriffslustig an. Aber da gab es nichts zu attackieren, außer einem breiten Grinsen, das zeigte, dass er sich selbst nicht ernst nahm. Und in diesem Moment wusste Inge, dass sie ihm Unrecht getan hatte.
    Die Espressomaschine fing an zu brodeln. Ewald wartete noch einen Moment, hob dann vorsichtig den Deckel und nickte zufrieden. „Halt mal die Tassen!“
    Nachdem sie mit seinem Taschenmesser den Zucker verrührt hatten, sagte er: „Aber jetzt mal im Ernst. Wenn du ein ungutes Gefühl hast, sollten wir dem nachgehen. Irgendwie komisch ist es ja schon.“ Er trank den Espresso in einem Schluck aus. „Glaubst du, ihr ist etwas passiert?“
    „Ich weiß es nicht. Es ist lediglich mein Alarm, der angesprungen ist.“
    „Dann gehen wir sie einfach suchen.“
    „Wir?“
    „Ja. Heute ist doch Samstag und sie wohnt in Rostock. Wenn sie nicht zu Hause ist, kriegen wir eben raus, ob sie einen Freund hat.“ Dann schob er schnell hinterher „Oder eine Freundin. Und wo er oder sie wohnt. Du kannst doch so was bestimmt ganz prima.“
    „Ich bin nicht im Dienst.“ Sie stellte ihre Tasse ab. „Außerdem habe ich kein Auto.“
    „Ich hab was viel Besseres.“
    Jetzt sah sie ihn plötzlich vor sich, wie sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte: ganz in Leder.
    „Niemals!“, sagte sie entschieden.
    „Ich fahre seit fünfundzwanzig Jahren unfallfrei, habe einen zweiten Helm dabei und fahre auf der Landstraße höchstens 80.“ Er legte den Kopf schief. „Außerdem haben wir den ganzen Samstag nichts zu tun!“
    Inge Nowak zögerte. Der innere Richter stand bereits eine Weile hinter ihr und versuchte sie in Schach zu halten. Schon der Espresso war eigentlich zu viel für diese Instanz, die dazu da war, sie von jeglicher Leichtigkeit abzuhalten. Nichts wirst du tun. In der Klinik wirst du bleiben. Motorradfahren – soweit kommt es noch. Du bist schließlich nicht hier, um dich zu amüsieren!
    „Komm schon. Du hast doch sowieso keine Ruhe, wenn du Ellen nicht erreichst. Und wenn du meine BMW nicht magst, dann fahren wir eben mit dem Bus.“
    Er erstaunte sie. Zum wiederholten Mal. Nach einer kleinen Weile fragte sie: „Warum machst du das?“
    „Ehrliche Antwort?“
    „Ich bitte darum.“
    Ewald Klee räusperte sich. „Ich soll mich nicht zurückziehen. Soll mehr auf Leute zugehen. Und du bist seit Monaten der einzige Mensch, bei dem mir das gelingt.“ Er lächelte unbeholfen. „Klingt ein bisschen, als wollte ich dich für meine Therapiezwecke benutzen, was?“
    Inge schüttelte den Kopf. „Quatsch. Und wenn schon. Dafür stehe ich gern zur Verfügung.“ Auf der Forschungsplattform tat sich etwas. Ein Boot wurde abgelassen. Überall auf der Welt bewegten sich Menschen fort. Immerzu und immerzu. Auf Schiffen, in Flugzeugen und in Autos. Warum nicht einfach mal auf dem Motorrad? Sie klopfte sich den Sand von den Füßen, stand auf und

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