Sterben War Gestern
Haus von Jürgen und Angela Esser hatte Kriminalhauptkommissar Erich Werle alle Mühe, das belanglose Geplänkel mit Helene Teuber aufrechtzuerhalten. Er starrte durch die Windschutzscheibe auf die Kühlerhaube des rotlackierten Wagens und versuchte die Gedanken zu verscheuchen, die sich zwischen die locker ausgetauschten Befindlichkeitsfloskeln schoben und darauf abzielten, die Dame für anderes zu gewinnen.
„Echo?“
„Entschuldigung. Was haben Sie gesagt?“
„Was Sie genau in der Wohnung zu finden hoffen?“
„Keine Ahnung. Etwas, das beweist, dass der Ehemann seine Frau zuerst erschlagen und dann verbrannt hat.“
„Verstehe.“
Ihre Stimme war perfekt. Sie könnte ihn damit auf die Knie zwingen. Und noch ganz woanders hin. Aber er wäre nicht Erich Werle, wenn er sich nicht zu beherrschen wüsste. Und diese Frau am Steuer neben ihm war nichts anderes als eine nicht mehr ganz so junge Polizeibeamtin in München, die immer noch einen hübschen Hintern hatte und ihn gut zu verpacken wusste. Niemals würde er etwas mit einer Arbeitskollegin anfangen, nicht einmal in Gedanken.
Das Haus der Essers lag am Stadtrand von München, in einer bürgerlich anmutenden Wohngegend. Zwei Stockwerke, ausgebautes Dachgeschoss, geräumige Zimmer, großer Garten, Terrasse. Vor dem Eingang standen zwei Männer, bereits halb in weiße Schutzkleidung gehüllt, ihre silberfarbenen Koffer hatten sie auf der Waschbetonplatten-Treppe abgestellt.
„Hi, Jungs!“, rief Helene Teuber. „Vermutlich Ehegattenmord. Wir suchen nach allem, was dazu passt, dass er sie umgebracht haben könnte. Gebt euch Mühe, der Kollege Werle ist extra aus dem Osten der Republik angereist.“
Die beiden Männer nickten Werle wortlos zu, dem es nicht gefiel, dass sie ihn als Ossi vorgestellt hatte, einer öffnete die Haustür und der andere händigte ihm und seiner Chefin Handschuhe aus.
Eine Stunde später hielt der Kommissar etwas in den Händen, dass ihm ein zufriedenes Grunzen entlockte.
„Ist doch immer dasselbe: Zeig mir deine Kontoauszüge und ich sag dir, ob du das Zeug zum Mörder hast.“
„Schulden?“
„Das nicht. Aber regelmäßige Überweisungen auf ein Konto bei einer anderen Bank. So, als ob er etwa Unterhaltszahlungen zu leisten hätte. Seiner Aussage nach war er aber nur einmal verheiratet und zwar mit dem Opfer, und uneheliche Kinder will er keine haben. Bleibt nur eine Geliebte oder Erpressung.“
„Sie glauben, er hat seine Frau wegen einer anderen aus dem Weg geräumt?“
„Wäre ja nicht der erste Ehemann, der das täte.“
„Nein.“ Helene Teuber hielt ihm einige Computerausdrucke hin. „Vielleicht passt das ja dazu.“
Werle blätterte die Papiere durch und pfiff durch die Zähne. „Der hat den großen Ausstieg geplant. Costa Rica, Kuba, Argentinien – würde mich nicht wundern, wenn eine Latina dahinter steckt.“ Dann studierte er eine Seite genauer. „Hier: Er hat sich sogar nach Flügen erkundigt und nun raten Sie mal für wann?“
„Nächste Woche?“
„Ende des Monats.“ Er sah sich um. „Gibt es den passenden Computer und Drucker zu dem Zeug hier?“
„Nein. Hier gibt es keinen PC, er benutzt wahrscheinlich den in seinem Büro. Oder ein Laptop.“
Das Hotelzimmer. Er hatte vergessen, die Durchsuchung anzuordnen. Womöglich fanden Sie dort die Gummistiefel und sämtliche Beweise, die sie benötigten. Warum war keiner der anderen auf die Idee gekommen? Wieso musste er immer selbst an alles denken?
„Letzteres müsste er dabei gehabt haben. Ich rufe sofort meine Assistentin an.“
Assistentin?, dachte Helene Teuber. Seit wann hatten deutsche Kriminalbeamte im gehobenen Dienst persönliche Assistenten? Sie musste grinsen. Ein kleiner Angeber, aber irgendwie gefiel er ihr.
Außer den Recherchen zu Flugkosten und Hotels in verschiedenen Städten Lateinamerikas fanden sie noch Krankenkassenbelege, die zeigten, dass sich Jürgen Esser jüngst hatte gründlich durchchecken lassen, und fanden – noch unausgepackt – einige Sprachbücher Spanisch zum Selbststudium. Das Interessanteste schien Erich Werle jedoch ein Buch über das Auswandern von Deutschen auf den lateinamerikanischen Kontinent zu sein: Visumbestimmungen wurden hier ebenso erklärt wie Aufenthalts- und Arbeitsbedingungen und die Möglichkeiten, Land zu erwerben, um sesshaft zu werden.
„Na, deutlicher geht es ja wohl kaum.“
„Das heißt, Sie sind zufrieden?“
Nein, dachte er, noch nicht ganz, antwortete aber: „Ja,
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