Sterben War Gestern
Mitgliedschaft in einem Roland-Koch-Fanclub, dessen große Klappe ihn außerhalb dieser Klinik eher abgestoßen als angezogen und an dessen psychische Befindlichkeit er sicher keinen Gedanken verschwendet hätte.
„Ankerklause nach dem Essen?“, fragte Stefan plötzlich.
Mirko verneinte. „Ich bin schon mit Anita zum Scrabbeln verabredet.“
„Vielleicht komme ich später dazu“, antwortete Ewald, der vermutete, dass von einer Kneipe die Rede war. „Ich mache heute Schlafentzug.“
„Ach, du Scheiße. Dann musst du morgen früh auch zum Beklopptenhüpfen.“ Stefan tippte sich an die Stirn. „Hab ich noch nie gemacht. Solange ich schon hierherkomme. Es gibt Sachen, die mache ich nicht. Punkt. Bin doch nicht im Kindergarten.“
„Er meint den Tanz der fünf Rhythmen“, erklärte Mirko beruhigend. „Eigentlich macht das Spaß. Ist wie eine große Disko mit ganz vielen Leuten, lauter Musik und im Dunkeln. Dauert drei Stunden und danach bist du fix und fertig. Es kommen viele Gefühle hoch, wie auf Droge. Total intensiv. In jeder Hinsicht.“
„Aha“, sagte Ewald, der eine etwas therapeutischere Erklärung dafür von Schwester Agathe bekommen hatte. „Ihr zwei macht mir ja Mut!“ Er blickte zum Speisesaal, der wenige Minuten zuvor geöffnet worden war, und stand auf. „Ich gehe essen, kommt ihr mit?“
Inge Nowak betrat die Klinik alleine, eine halbe Stunde, bevor die Abendessenszeit zu Ende war. Sylvia und Timo warteten draußen und kamen erst zehn Minuten später herein. Am Empfang betätigten sie die Glocke und kurz darauf erschien Schwester Agathe.
Förmlich legte Timo den Beschluss für die Beschlagnahmung der Krankenakte von Ellen Weyer und die Einsicht in die Behandlungspläne der letzten Wochen vor.
„Aber das ist nicht so einfach. Wir haben die Behandlungspläne im Computer und jetzt ist niemand von der Verwaltung da, der Ihnen da helfen kann.“ Schwester Agathe schien untröstlich und gleichzeitig ein wenig panisch. Sie schien gewisse organisatorische Probleme vorauszusehen. „Und außerdem muss ich da erst den Herrn Professor fragen.“
„Wir müssen überhaupt niemanden fragen“, erwiderte der Oberkommissar freundlich, „das ist ein richterlicher Beschluss. Man hat versucht, auch Ellen Weyer, die Tischnachbarin von Angela Esser zu töten, ihr Freund und ihre Schwester wurden ermordet. Das reicht, um hier in der Klinik alles zu beschlagnahmen und sämtliche Computer einfach mitzunehmen.“ Letzteres stimmte ganz und gar nicht, aber die brutalen Neuigkeiten zeigten ihre Wirkung.
„Um Gottes willen!“ Agathe Simonis wechselte von einem Moment auf den anderen die Farbe und bekam Hitzeflecken im Gesicht.
„Sie können aber auch jemanden organisieren, der uns dabei hilft, die Daten jetzt und hier einzusehen. Dann kommt nichts durcheinander.“
Die Oberschwester bat, wegen der Computer den Verwaltungsleiter anrufen zu dürfen. Und natürlich den Chefarzt wegen der Krankenakten.
„Würden Sie uns vorher noch den Tisch zeigen, an dem Ellen Weyer und Angela Esser gesessen haben? Wir würden uns gern noch einmal mit ihren Tischnachbarn unterhalten.“
„Ich bringe Sie hin. Wollen Sie vielleicht auch einen Happen essen?“
„Nein, danke. Aber ein Glas Wasser wäre nett.“
„Das bekommen Sie am Tresen. Da ist ein Zapfhahn für Mineralwasser mit und ohne Sprudel.“
Schwester Agathe führte die beiden Kommissare durch den Speisesaal und alle Blicke ruhten auf ihnen, als sie den Raum durchquerten, hin zum letzten Tisch in der Ecke, an dem Ewald Klee und Inge Nowak saßen.
„Jetzt denken alle, wir sind die Mörder“, flüsterte Ewald.
„Schlimm?“, fragte Inge leise zurück.
„Ich habe mir in meinem ganzen Leben nicht ein einziges Mal etwas zuschulden kommen lassen. Nicht mal einen Lutscher geklaut. Und jetzt gleich ein Gewaltverbrechen!“
„Das geht oft schneller, als man denkt. Und nun reiß dich zusammen, damit niemand merkt, dass wir den hohen Besuch gut kennen.“
Vielleicht, so dachte Inge Nowak, würde die Tatsache, dass die Polizei erneut im Hause war und das Gespräch mit ihnen suchte, jemanden nervös machen, möglicherweise ergriffe er oder sie die Flucht. Doch die vier hatten nicht lange Gelegenheit, die Anwesenden zu verunsichern, denn schon nach kurzer Zeit erschien Schwester Agathe wieder am Tisch. Sie war sichtlich erleichtert.
„Der Verwaltungsleiter, Herr Vogel, kommt selbst. Er wird in einer halben Stunde da sein. Wollen Sie solange hier
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