Sterbensschön: Thriller -
sortiert hatte, und hätte sie mit ihren Flip-Flops fast wieder zerstreut. Henry streckte gerade rechtzeitig die Hand aus, um sie zu sichern. Susan sah auf die Bilder hinunter und runzelte die Stirn. »Ob sie es wohl in den Himmel geschafft haben?«, sagte sie.
»In den Himmel?«, fragte Archie.
»Ja«, sagte Susan, als sei es sonnenklar. »Schauen Sie sich die Familie doch an. Was für ein Haufen Jesus-Freaks.«
Archie verstand noch immer nicht.
Susan bückte sich und fächerte einige von Henrys ordentlich gestapelten Aufnahmen auseinander. Sie waren alle im Haus der Beatons entstanden.
»Hier«, sagte sie. Sie zeigte auf die Wände im Hintergrund, auf die Bücherregale. Archie bemerkte zum ersten Mal die vielen Kruzifixe. Sie drückte ihm den Apfelbutzen in die Hand. »Kreuze«, sagte sie. »Auf allen Bildern.«
46
Pearl trug Susans Lieblings-T-Shirt von den Decemberists und eine abgeschnittene rote Cordhose, deren Reißverschluss Susan seit ihrer Highschoolzeit nicht mehr zubekommen hatte. Susans Abgabetermin rückte näher, aber sie konnte den Blick nicht von ihr nehmen. Pearl war oben herum kurviger als noch vor einem Jahr. Sie füllte das T-Shirt mehr als aus. Susan gab es nur ungern zu, aber Pearl hatte sich gut gemacht. Während Susan bei Archie gewesen war, hatte Bliss ihr das Haar geschnitten und über dem Waschbecken gefärbt. Wenn Bliss Susan die Haare machte, benutzten sie Farben wie Atomic Turquoise oder Vampire Red. Pearl sah mehr nach »Ballkönigin« aus. Bliss hatte Pearls eklige Hippiemähne in eine glänzende Mischung aus Dunkelblond mit buttergoldenen Strähnchen verwandelt, die schwang und schimmerte. Susan hatte gar nicht gewusst, dass Bliss eine solche Frisur draufhatte. Wenn ihre Mutter das in der Highschool für sie getan hätte, wäre Susans ganzes Leben vielleicht anders verlaufen.
Pearl rekelte sich wie eine Katze auf dem Sofa und drehte sich von der Seite auf den Rücken, ohne eine Sekunde lang den Blick von dem Videospiel in ihrer Hand zu nehmen.
Da das Sofa besetzt war, sah sich Susan auf einen aus Treibholz und Lammfell gebauten Sessel verbannt. Er war ein Geschenk eines Exfreunds von Bliss, der einen netten Profit mit der Herstellung von Grizzlys aus Treibholz für Touristen in Newport machte. Der Sessel war bequemer, als er aussah, aber immer noch nicht ideal.
Das Videospiel klang wie ein Autoalarm, der zwei Straßen weiter losgeht. Es war nicht direkt laut, aber nervtötend und hartnäckig.
Susan sah zu Bliss, die in der Küche einen Leinsamen-Pizzateig für ihr Mittagessen ausrollte. Susan hatte Bliss nicht mehr so viel kochen sehen, seit sie ehrenamtlich das Catering für eine Laientheaterproduktion von Vagina-Monologe übernommen hatte. Bliss schien nicht allzu besorgt wegen Pearls Videospiel zu sein. Offenbar hatte sie ihr nichts von ihrer Politik der »magnetfeldfreien Zone« erzählt. Oder sie auf den Zusammenhang zwischen elektronischen Geräten und Schoßkrebs aufmerksam gemacht.
»Ich habe einen Abgabetermin«, sagte Susan. »Kannst du das oben machen oder so?«
Pearls Blick blieb auf den Bildschirm gerichtet, während die Daumen wie wild umherzuckten. »Oben ist es zu heiß.«
Das stimmte allerdings.
Susan machte sich wieder an ihre Arbeit.
Pearl spielte weiter.
Bald erfüllte Pizzaduft den Raum. Es war keine echte Pizza. Es war eine vegane Leinsamenversion davon, aber es roch wie Pizza.
Nach einer Weile legte Pearl ihr Videospiel beiseite und schleuderte Arme und Beine über die Lehne des Sofas. Teenager hatten irgendwie keine Knochen, stellte Susan fest.
Pearl verschränkte die Arme über den Beinen und legte das Kinn in die Mulde innerhalb ihrer Ellbogen. Ihr Haar sah perfekt aus. »Und wie ist Archie so? Persönlich?«, fragte sie.
Wie bitte? »Du hast ihn kennengelernt«, sagte Susan. »Kurz bevor du ihn betäubt hast.«
Pearl überhörte den letzten Satz. »Er schien nett zu sein.« Sie lächelte Susan verschwörerisch an. »Magst du ihn?«
»Ich habe einen Freund«, sagte Susan rasch. »Einen Menschen, an dem ich interessiert bin.«
»Wo ist er?«
Das wusste der Himmel. Er hatte nicht angerufen. Er verkaufte irgendwo eine Sporttasche voll Koks, so sah es aus. Drogenhändler hatten merkwürdige Arbeitszeiten, wie Chirurgen. Sie hatten keine Zeit, irgendwen anzurufen. »Er weiß, dass ich Abgabe habe«, sagte Susan.
»Ist er scharf?«
Susan reckte den Hals. Wo war ihre Mutter?
»Ich habe keinen Freund«, sagte Pearl.
Susan fand Pearl als
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