Sterbenswort: Thriller (German Edition)
verschütten.«
»Wieso bist du nicht ans Telefon gegangen?«
Zunächst verstand Nina nicht, dann antwortete sie.
»Ich lag in der Badewanne. Du hast mir gar nicht erzählt, dass uns deine Freundin besuchen wollte. Ich wollte dich anrufen, dass sie früher gekommen ist, aber ich habe mein Handy nicht mehr gefunden.«
Jetzt mischte sich Amelie ein: »Es liegt im Aquarium.«
Während Amelie still dasaß und die beiden fixierte, drehten diese – fast synchron – ihre Köpfe zum Aquarium. Im Kies auf dem Boden lag Ninas Mobiltelefon. Ein lilafarbenes Guppymännchen musterte es neugierig.
»Wie ist denn das passiert?«, fragte Nina.
»Ich habe es hineingeworfen, als du den Tee aufgesetzt hast.«
»Wie bitte? Wieso das denn?«
»Ich wollte nicht, dass du Heinrich vorwarnst.«
»Was ist denn hier überhaupt los? Zuerst kommt diese Frau zu Besuch, die ich überhaupt nicht kenne, dann wirft sie mein Handy ins Aquarium? Heinrich?«
»Sie will mich erledigen, Schatz.«
»Falsch!«, unterbrach Amelie scharf.
Aus ihrer Handtasche zog sie ihre Pistole und entsicherte sie. Sogleich zielte sie auf Nina.
»Ich will deine Frau erledigen.«
Nina zuckte zusammen; sie benötigte ein paar Sekunden, um die veränderte Situation zu begreifen.
Als sie sprach, vibrierte ihre Stimme: »Aber … warum? Was habe ich getan? Wir kennen uns doch gar nicht.«
»Ich weiß, dass Heinrich dich liebt.«
Heinrich rang nach Worten. Er hatte Angst, Amelie weiter zu provozieren. Sie schien nicht mehr sie selbst zu sein.
»So sag doch was, Heinrich! Was will sie von uns?«
»Möchtest du es ihr erzählen, oder soll ich es tun?«
Heinrich fühlte sich, als sei er vom Kehlkopf abwärts gelähmt. Selbst wenn er hätte sprechen wollen: Er hatte im Moment keine Kontrolle über seinen Körper.
»Ja, jetzt schweigt er, unser Staranwalt, der im Gericht so große Töne spuckt. So ist es doch, oder? Läuft prima, dein Leben. Ganz anders als bei der kleinen Versagerin, die ihres nicht auf die Reihe bekommt.«
Das hat niemand behauptet, dachte er.
»Weißt du, seit wann bei mir nichts mehr geklappt hat?«
Sie gab sich die Antwort selbst.
»Seit du Erik getötet hast.«
Wurden ihre Augen feucht?
»Wovon spricht sie, Heinrich? Ich verstehe gar nichts mehr.«
»Dein Mann hat meinen Freund getötet. Ja, du staunst: Ich weiß alles. Thomas hat es mir erzählt. Ihr habt mich belogen. Es war kein Unfall. Du hast mit der Kamera auf ihn eingeschlagen, wieder und wieder.«
Endlich löste sich der Kloß in Heinrichs Kehle: »Ich wollte das nicht. Du musst mir das glauben. Das LSD …«
»Ich muss gar nichts«, fiel ihm Amelie ins Wort. »Und nicht das LSD hat Erik getötet.«
Nina drehte sich zu ihrem Ehemann: »Langsam, langsam. Du hast diesen Erik tatsächlich ermordet?«
»Es war kein Mord.«
»Deine juristischen Spitzfindigkeiten kannst du dir sparen. Ich möchte dich leiden sehen, Heinrich, so wie ich gelitten habe. Und ich möchte dir deine Zukunft nehmen, so wie du mir meine genommen hast.«
Heinrich schloss die Augen.
»Dann tu es. Aber bitte verschone meine Frau. Sie hat nichts damit zu tun.«
»Du hast es immer noch nicht begriffen, oder? Dir werde ich nichts tun. Du wirst sowohl mit der Schuld als auch dem Verlust leben müssen: Ich werde Nina töten.«
Endlich verstand Heinrich.
Amelie beugte sich nach vorn, nahm ihre Tasse in die Hand und nippte an ihrem Tee.
»Wir warten nur noch auf Kathrin. Schließlich war sie genauso beteiligt.«
Heinrich kam es vor, als fiele er in einen tiefen, frostigen Schlund.
57
Sterbenswort
I mmer noch lag sie in Dunkelheit.
Ihre Verwirrung wich der Angst, ihre Verwunderung der Panik.
Sie strampelte, so gut es ging.
Sie schluchzte.
Sie heulte.
Bis sie Mühe hatte, weiterzuatmen.
Der Sauerstoff in ihrem kleinen Gefängnis ging zur Neige.
»Mama?«, flüsterte Mia kläglich.
Dann sank sie in die Finsternis.
58
Heute
D er Fahrstuhl, der noch vor kurzer Zeit mit beeindruckender Geschwindigkeit nach oben gesaust war, fühlte sich für Kathrin nun an, als wäre er der langsamste in der ganzen Hauptstadt.
Endlich glitten seine Türen zur Seite. Noch ehe sie in den Seitenwänden verschwanden, hatte sich Kathrin bereits hindurchgequetscht.
Heinrichs Wohnungstür stand einen Spaltbreit offen. Ohne sich eine Strategie zu überlegen, stürmte Kathrin ins Innere.
Als sie Amelie entdeckte, die im Rahmen der geöffneten Glastür zur Dachterrasse stand, stoppte sie abrupt.
Denn Amelie
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