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Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Titel: Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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zweiundvierzigsten Geburtstag mit ein paar Gläsern trockenem Moselwein zu viel begossen. Der Tag hatte mit schier unerträglichen Kopfschmerzen und dem Wunsch begonnen, auf der Stelle zu sterben, gefolgt von dem Schwur, sämtlichem Alkohol auf ewig zu entsagen – zumindest, bis es ihm wieder besser ging. An solchen Tagen besann er sich meist auf seine Christenpflicht und verbrachte den Großteil des Morgens damit, seine Sünden zu bereuen. Doch der Allmächtige schien an diesem Tag nicht auf seiner Seite zu sein, denn er hatte ihn dazu verdammt, an seinem freien Tag hier auf dem Waldboden herumzukriechen.
    Leise fluchend kniete er zwischen Farnen und Büschen neben der offenen Fahrertür des zerbeulten Wagens und untersuchte den Fußraum. Ihm fehlten ungefähr zwanzig Stunden Schlaf, und er fühlte sich, als hätte ihn jemand als Sandsack missbraucht. Selbst die frische Waldluft half wenig, denn in dem weißen Schutzanzug, den er tragen musste, um keine Fasern zu hinterlassen, schwitzte er wie ein Stahlarbeiter am Hochofen.
    »Raffinierter Drecksack«, zischte er vor sich hin, während er den dunklen Teppichboden des Wagens untersuchte. »Wirklich raffiniert.«
    Plötzlich schlug etwas donnernd auf das Wagendach. Erschrocken fuhr er hoch und hätte sich beinahe den Kopf angestoßen. »Wer zum …?«
    »Hey, Däumling«, dröhnte eine fürchterlich laute Stimme über ihm. »Suchst du da unten nach Wahrheit und Gerechtigkeit?«
    Daum spähte vorsichtig nach oben und erblickte Dennis und Sven. »Bergmann. Ich hab dir schon hundertmal gesagt, du sollst mich nicht so nennen.« Behutsam richtete er seinen schlaksigen Körper auf. »Bitte tut mir den Gefallen und redet etwas leiser. Der Verstärker in meinem Kopf ist auf volle Kraft gestellt.«
    »War wohl gestern ein bisschen heftig«, bemerkte Sven.
    »So könnte man’s ausdrücken«, stöhnte Daum. »Ach, übrigens: Vielen Dank für euer Geschenk. Ein Paarungskissen hab ich mir schon immer gewünscht. War echt ein Brüller, als ich das Teil vor meiner Frau und all meinen Freunden feierlich enthüllt habe.«
    Sven gab sich alle Mühe, nicht schallend loszulachen.
    »Na ja«, räusperte sich Dennis, »wir dachten, das bringt vielleicht ein bisschen Schwung in deine Ehe.«
    »Schwung ist gut«, sagte Daum und fasste sich mit beiden Händen ins Kreuz. »Das Ding hätte mir letzte Nacht beinahe einen Bandscheibenvorfall verpasst.«
    Sven platzte los. »Tut uns wirklich leid, dass wir dich von deinem Sterbebett geholt haben«, keuchte er, nachdem er sich wieder gefangen hatte. »Ich hoffe nur, es war wenigstens nicht umsonst. Wir hängen nämlich ziemlich in der Luft und könnten dringend ein paar Hinweise gebrauchen.« Er wischte sich die Tränen aus den Augen.
    »Tja, da muss ich euch leider enttäuschen«, sagte Daum. »Spurentechnisch gesehen ist der Wagen so unbefleckt wie meine zwölfjährige Tochter. Wir konnten weder Faserspuren noch Fingerabdrücke finden.«
    »Irgendwie habe ich so was erwartet«, seufzte Sven. Er sah Daum an, der sich mit beiden Händen den Rücken massierte, und bekam einen neuerlichen Lachanfall.
    »Wer hat den Wagen gefunden?«, fragte Dennis.
    »Ein Rentner auf seinem Spaziergang. Das heißt, eigentlich war es sein Hund. Er muss das getrocknete Blut auf der Motorhaube gewittert haben.«
    »Wonach riecht es hier drin?«, fragte Dennis und schnüffelte an dem offenen Wagen.
    »Eine Mischung aus verschiedenen wasserlöslichen Tensiden und zitrushaltigem Parfümöl«, klärte Daum ihn auf.
    »Ich wollte keine chemische Analyse, sondern eine einfache Auskunft.«
    »Handelsübliches Fensterputzmittel! Der Kerl hat die Karre nicht nur gereinigt, er hat sie regelrecht sterilisiert. Sogar der Teppichboden sieht aus, als hätte meine Frau ihn sich vorgenommen. Die wenigen Faserspuren, die wir gefunden haben, dürften von dem Lappen stammen, den er benutzt hat. Er hat sogar die Sitzbezüge mitgenommen, um ganz sicherzugehen. Wirklich ein raffinierter Drecksack.«
    »Ja, zu raffiniert«, unterstrich Sven. »Sonst noch was?«
    »Na ja, der Boden dort hinten auf dem Weg ist ziemlich hart und ausgetrocknet. Da ist jede Spurensuche zwecklos. Aber hier auf dem weichen Waldboden konnten wir ein paar schwache Fußabdrücke finden, Größe 46.«
    »Na toll«, stöhnte Dennis. »Wir sollten sofort eine Großfahndung nach einer Putzfrau mit zwei Sitzbezügen und Kindersärgen an den Füßen einleiten.«
    »Tut mir leid«, beteuerte Daum, »aber mehr kann ich

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