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Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Titel: Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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gesammelt, die schließlich am Abend ihre Schleusen geöffnet hatten und sie seitdem nicht mehr schließen wollten. Grelle Blitze entluden sich noch immer vereinzelt am dunklen Firmament, von kreischendem Donner begleitet, dessen Dröhnen die Luft erzittern ließ.
    In den Krankenzimmern zu beiden Seiten des Flures nahm dies kaum jemand wahr. Die meisten Patienten in diesem Trakt waren schwere Pflegefälle, von denen viele nur noch vor sich hin vegetierten. Apathisch, nicht mehr ansprechbar, warteten sie auf den Tod.
    Ilse Marek war eine von ihnen. Anfangs hatte sie Milenz noch erkannt, wenn er das Essen brachte oder ihr beim Waschen half. Sie hatte mit ihm geredet, war fröhlich gewesen, hatte viel gelacht. Dann wurden die Gedächtnislücken größer. Später kamen dann Sprachstörungen hinzu. Sie vergaß die Namen von Angehörigen und Freunden, suchte ihre dritten Zähne, obwohl sie noch eigene hatte. Mittlerweile wusste sie nicht einmal mehr ihren eigenen Namen, geschweige denn den ihres Pflegers. Meistens lag sie nur da, starrte ihn an, als wäre er ein Außerirdischer, und brabbelte sinnloses Zeug. Sie litt unter Alzheimer, eine Krankheit, die sich nicht nur als simpler Gedächtnisverlust äußerte, sondern als Verlust der Persönlichkeit. Zuerst vergaß man, das Badewasser abzustellen, dann seine Freunde, seine Gefühle, sein Leben. Man verlor langsam, aber sicher den Verstand. So weit würde er es nicht kommen lassen, schwor sich Milenz, falls das Schicksal ihn einmal auf so schreckliche Weise heimsuchen sollte. Lieber würde er sich vor einen Zug werfen, solange er noch bei klarem Verstand war, als wie eine Blume langsam zu verwelken.
    Als sei all das noch nicht genug, grassierte schon seit einigen Wochen ein Virus auf der Station. Fieber und Schmerzen schwächten die Patienten zusätzlich. Seltsamerweise war niemand vom Personal davon betroffen. Nicht dass Milenz sich das gewünscht hätte, aber dass anscheinend keiner der Schwestern oder Pfleger daran erkrankte, war doch merkwürdig.
    Leise öffnete er die Tür von Zimmer 17 und spähte hinein. Es war dunkel. Nur das schwache Quietschen der Bettfedern und schweres, gedämpftes Atmen waren zu hören.
    »Frau Marek? Sie sind wieder an den Notschalter gekommen. Ist alles in Ordnung?« Was tue ich da eigentlich? , dachte er. Sie weiß doch nicht einmal, in welchem Jahrhundert sie ist.
    Er knipste das Licht an und blieb wie angewurzelt stehen. Die Bettdecke lag auf dem Boden, und Ilse Marek wand sich in Krämpfen auf ihrem Bett. Die altersfleckigen Hände krallten sich in die Matratze. Ihr Körper zuckte. Das Gesicht war angeschwollen und graubräunlich verfärbt. Die weißen Locken klebten an ihrem Kopf, den sie fest ins Kissen presste.
    »Großer Gott!«, schrie Milenz auf, stürzte zu ihr und versuchte, sie festzuhalten. Erst jetzt bemerkte er die rötliche Flüssigkeit, die durch den Katheter in den seitlich am Bett angebrachten Beutel lief und auf Blut im Urin hinwies. Mühsam hob er ihren Kopf an und zog das Kissen darunter weg, um zu verhindern, dass sie darin erstickte. Ihre Augen waren verdreht und leblos, nur das Weiß darin war zu sehen.
    Hastig rannte er wieder auf den Flur hinaus, eilte zum Telefon und wählte die Nummer des Überwachungsraums. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis der Hörer abgenommen wurde.
    »Welcher Arzt hat heute Notdienst?«, brüllte er.
    »Doc Krämer, warum?«, antwortete Christmann erschrocken.
    »Dann schaff ihn schleunigst her!«
    »Was ist denn da oben los?«
    »Frag nicht so viel, tu’s einfach!«
    Er knallte den Hörer auf und hastete zurück ans Bett von Frau Marek.
    Als er dort ankam, bewegte sie sich nicht mehr.

11
     
     
     
     
     
     
     
    D ennis drückte auf einen der Knöpfe des Kaffeeautomaten, am unteren Ende des Flures. »Er hat gesagt, die Frau sei gestorben, bevor der Arzt da war«, sagte er, während sich der Becher langsam füllte.
    »Wann hat Milenz dich angerufen?«, fragte Sven.
    »Gestern Mittag, so gegen eins. Kurz nachdem Rita gegangen war.«
    »Rita?«
    »Ja. Klein, handlich, brünett – und irrsinnig gelenkig. Hab sie Samstagabend kennengelernt.« Er hechelte wie ein liebestoller Hund.
    Sven ruckte abfällig mit dem Kopf. »Glaubst du, am Tod der Frau ist was faul?«
    Dennis drückte ein zweites Mal auf den Knopf. »Kann ich mir nicht vorstellen. Immerhin war sie über siebzig und hatte schweren Alzheimer. Der Arzt hat als Todesursache Nierenversagen angegeben. Genauer gesagt …«, er

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