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Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Titel: Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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krank?«, fragte Rößner ohne eine Spur von Mitgefühl.
    »Es geht mir gut, danke«, entgegnete Sven unsicher.
    »Reden Sie keinen Unsinn, Mann! Sie sehen aus, als hätten Sie die ganze Nacht lang die Kloschüssel angebrüllt. Nicht dass es mich sonderlich interessiert, aber ich muss wissen, wie weit ich Sie zusammenstauchen kann.«
    »Um was geht’s denn?«, fragte Sven, der das Ganze so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte.
    »Darum!« Wütend warf Rößner ihm eine Ausgabe der Lokalzeitung auf den Tisch. Darauf war ein Bild von ihm und Koschny vor dem Friedhof zu sehen, in inniger Feindseligkeit ineinander verschlungen. P olizei schlägt auf R eporter ein lautete die Schlagzeile darüber. »Haben Sie irgendetwas dazu zu sagen, bevor ich Sie in der Luft zerreiße?«
    »Ich bin nicht gerade vorteilhaft getroffen«, kommentierte Sven die Momentaufnahme seines Wutausbruchs.
    »Mir ist im Augenblick nicht nach Witzen zumute!«, brauste Rößner auf. »Ist Ihnen eigentlich klar, was Sie damit ausgelöst haben? Ich habe den größten Teil des Vormittags am Telefon verbracht und einer Menge Leute Ihr Verhalten zu erklären versucht. Der Präsidiumsleitung, der Direktion, dem Büro des Oberstaatsanwaltes, der Pressestelle … fehlt nur noch, dass sich Amnesty International bei mir meldet! Was haben Sie sich dabei gedacht?«
    »Das ist eine persönliche Angelegenheit zwischen mir und diesem Reporter«, sagte Sven heiser.
    »In Gegenwart der Presse gibt es nichts Persönliches!«, brüllte Rößner dieses Argument nieder. »Das nächste Mal suchen Sie sich für Ihren Privatkrieg ein weniger öffentliches Schlachtfeld! Und die Tatsache, dass es sich bei dem Kerl auch noch ausgerechnet um den Reporter handelt, dem Sie damals dieses Untersuchungsverfahren zu verdanken hatten, trägt nicht gerade zur Entspannung der Lage bei. Aber anscheinend gefällt es Ihnen ja, der Titelheld der Boulevardpresse zu sein.« Wütend schmiss er die Zeitung in den Papierkorb.
    »Vielleicht beruhigt es Sie«, meinte Sven vorsichtig, »dass die Sache zwischen mir und Koschny mittlerweile bereinigt ist.«
    »Na, großartig«, bellte Rößner. »Der halbe Polizeiapparat tanzt auf meinem Rücken Rumba, aber Hauptsache, Sie haben Ihren Frieden gemacht!« Seine Nasenflügel blähten sich wie die Nüstern eines Pferdes. »Wofür halten Sie mich eigentlich, Becker, für Ihren Hilfssheriff? Wenn Sie weiter den Rebellen spielen wollen, kaufen Sie sich eine Lederjacke und treten Sie einer Studentenbewegung bei. Meinetwegen schließen Sie sich einer gottverdammten Terroristengruppe an, aber solange Sie bei unserem Verein sind, halten Sie sich gefälligst an die Regeln, ist das klar? Das Ansehen der Polizei hat auch ohne Ihr Zutun schon genug gelitten, und ich bin es langsam leid, ewig die Suppe auslöffeln zu müssen, die Sie anbrennen lassen!«
    Obwohl sich alles in ihm dagegen wehrte, begegnete Sven dem Blick seines Vorgesetzten mit widerwilliger Demut. »Ich habe nie von Ihnen verlangt, sich für mich einzusetzen«, sagte er.
    »O ja«, entgegnete Rößner voller Ironie, »Sie glauben wie immer, alles allein bewältigen zu können und immer das Richtige zu tun, nicht wahr? Das Resultat kann man dann hinterher für fünfzig Cent an jedem Zeitungskiosk bestaunen.« Er hatte die Hände in die Hüften gestemmt, eine Geste der Überlegenheit. »Ich begreife das nicht, Becker«, seufzte er. »Es ist noch gar nicht so lange her, da haben Sie das Maul nur zum Essen aufgekriegt, und plötzlich legen Sie sich mit Gott und der Welt an. Was ist denn in Sie gefahren?«
    Sag es ihm , riet eine innere Stimme tief aus Svens gebeuteltem Verstand. Erzähl ihm von den Panikattacken und den Träumen. Für einen längeren bezahlten Urlaub mit anschließender psychologischer Betreuung dürfte das allemal reichen. »Vielleicht habe ich einfach keine Lust mehr, das Maul zu halten«, sagte er stattdessen.
    »Nur suchen Sie sich für Ihr Mitteilungsbedürfnis immer die falschen Momente aus«, konterte Rößner. Sein Blutdruck schien schon wieder in kritische Bereiche zu steigen. »Ich weiß, Sie haben in letzter Zeit eine Menge durchgemacht, aber das gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, hier Ihren persönlichen Feldzug zu starten! Wenn ich ehrlich bin, würde ich Sie am liebsten suspendieren, wenigstens so lange, bis sich die Gemüter wieder beruhigt haben, einschließlich Ihres eigenen. Aber ich halte es für besser, Sie zu beschäftigen, damit Sie nicht aus

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