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Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Titel: Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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nicht in Erfüllung gehen, die sich aber leider auch nicht mit Geld erkaufen lassen. Ja, ich bin wütend auf das System, weil es Leute mit Geld bevorteilt. Und ja, ich wische alten Leuten den Arsch ab, aber nur, weil ihr herzloser Nachwuchs zu sehr damit beschäftigt ist, Kohle zu scheffeln, und sich mehr um seine eigenen neureichen Ärsche kümmert! Und genau deshalb tue ich es gern. Und wissen Sie was, Mann? Ich würde sogar Ihnen den Arsch abwischen, wenn es sonst niemand mehr tun will!«
    Sven schaffte es nicht, sich ein Grinsen der stillen Bewunderung zu verkneifen. Diesem Burschen gelang es spielend, Rößners despotische Kaltherzigkeit zu untergraben. In Svens Sympathieträgerliste machte ihn das zum Neueinsteiger der Woche.
    »Wo waren Sie am 27. Juli gegen 22 Uhr 30?« Rößner wich nicht von seinem Fahrplan ab.
    »Das ist jetzt fast zwei Wochen her«, stellte Milenz nach kurzer Berechnung fest, als sei es ein Sprung in die frühe Kreidezeit. »Hey, Mann, im Moment weiß ich nicht mal mehr, was gestern war. Was spielt das überhaupt für eine Rolle?«
    »Für Sie vielleicht keine«, sagte Rößner. »Für den Haftrichter … fünfzehn bis zwanzig Jahre, würde ich sagen.«
    Milenz’ rechter Fuß fing wieder an zu wippen. Sein Herz schlug so schnell, dass er zu spüren glaubte, wie sein Gesicht pulsierte. »Was?«
    »Tja, das ist in etwa die Mindeststrafe für vorsätzlichen Mord.«
    Sein Herz kam jäh aus dem Takt. »Mord?«
    »Vielleicht erinnern Sie sich ja jetzt, wo Sie an dem Abend waren, an dem Erik Jensen getötet wurde.«
    »Jetzt … jetzt kommen Sie mal wieder runter, Mann. Sie glauben doch wohl nicht … Mensch, ich hab doch niemanden umgebracht! Ich kannte Jensen kaum, das hab ich Ihrem Kollegen doch gesagt.« Sein Blick huschte hilflos zwischen Sven und Rößner hin und her. »Wo ist der überhaupt? Ich … ich will mit ihm sprechen.«
    »Lesen Sie keine Zeitung?«, fragte Rößner, nachdem er einen kurzen Blick mit Sven gewechselt hatte. »Er ist vor acht Tagen bei einer Explosion ums Leben gekommen.«
    »Was denn, der war das?« Milenz strich sich mit beiden Händen das blonde Haar aus dem Gesicht, aus dem das Blut entwich. »Vermutlich geht der auch auf mein Konto, was? Und ich schätze, wenn wir hier fertig sind, bin ich auch für den Tod von Dr. Krämer verantwortlich.«
    »Im Moment konzentrieren wir uns auf Jensen«, erwiderte Rößner.
    Milenz rupfte mit den Zähnen einen Fetzen Hornhaut vom Nagelbett seines Daumens. Seine Gedanken rasten wie die endlose Befehlskette eines Computers. »Siebenundzwanzigster, siebenundzwanzigster … Das muss der Tag gewesen sein, nachdem Peters in Urlaub gegangen war.«
    Rößner sah ihn fragend an.
    »Ein Kollege von mir«, klärte Milenz ihn auf. »Manchmal hatten wir Dienst zusammen, wenn Christmann nicht da war. Ja, jetzt erinnere ich mich. Ich weiß noch, mittwochs hat er mir erzählt, er hätte so einen Last-Minute-Flug nach Spanien gebucht. Hat gemeint, er müsse das jedem unter die Nase reiben.« Er spuckte den Hautfetzen aus. »Damals war in unserer Abteilung gerade ganz schön was los. Anscheinend sind sämtliche Patienten plötzlich krank geworden, und da mit Peters schon zwei Leute gefehlt haben, mussten wir für drei ran. Wurde an dem Abend ziemlich spät.«
    »Wann genau war Ihre Schicht zu Ende?«
    »Regulär um sechs. Aber ich denke, ich bin erst so gegen neun gegangen.«
    »Sie denken?«
    »Ich bin nicht ganz sicher.«
    »Was haben Sie anschließend getan?«
    »Ich … Ich weiß es nicht mehr genau.«
    »Was denn, Sie können sich an all die Einzelheiten erinnern, aber nicht daran, was dann passiert ist!? Strengen Sie sich mal ein bisschen an!«
    »Verdammt, was glauben Sie, was ich hier mache?«, fauchte Milenz. »Unter diesen Umständen ist das nicht ganz einfach. Sie wollen wissen, was ich an dem Abend gemacht habe? Vielleicht bin ich noch auf ein Bier in die Kneipe gegangen oder hab ein paar Runden auf meinem Bock gedreht. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur nach Hause gefahren und hab mich ins Bett gelegt, ich weiß es nicht mehr! Ich weiß nur, dass ich an diesem Abend viel zu müde gewesen bin, um irgendjemand umzubringen!« Sein Zorn hielt ihn noch einen Moment aufrecht, bevor er auf seinem Stuhl zusammensackte.
    Während des gesamten Verhörs hatte Sven ihn keine Sekunde aus den Augen gelassen. Auch jetzt betrachtete er diesen jungen Mann, der ebenso wenig ein Mörder war wie er ein Verfechter religiöser

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