Sterbliche Hüllen: Thriller (German Edition)
Ausstellungsleiterin.« Diane hatte die schlechte Angewohnheit angenommen, ihr Personal mit dem Titel statt mit dem Namen anzureden. Sie sollte sich das lieber abgewöhnen. »Informieren Sie Audra, wenn Sie etwas finden, dann kann sie sich schon mal Gedanken machen.«
»Ich habe heute Morgen mit ihr gesprochen.«
»Gut. Und, Korey, ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn ich hier im Labor diese Knochen untersuche. Ich wollte mir ein eigenes Labor im zweiten Stock einrichten, aber dieses Gewölbe ist einer der sichersten Orte hier. Die Einbrecher letztens konnten es nicht öffnen.«
»Glauben Sie, der Einbruch hatte mit Ihren Knochen zu tun?«
»Ganz sicher. Ich glaube, sie haben nach dem Schlüsselbein gesucht, mit dem alles anfing.«
»Im Gewölbe steht ein Tisch, den ich Ihnen freiräumen kann. Dann können Sie daran arbeiten und müssen nicht jedes Mal alles wieder wegpacken. Es ist allerdings ziemlich kalt da unten.«
»Ich ziehe einen Pullover an.«
Diane half Korey, das Lager so umzuräumen, dass sie darin arbeiten konnte. Dann holten sie die Messinstrumente, die Andie schon in den zweiten Stock gebracht hatte.
»Brauchen Sie meine Hilfe?«, fragte Korey.
Diane schüttelte den Kopf. »Ich habe schon Jonas und Sylvia vereinnahmt. Ich kann nicht das gesamte Museumspersonal in Anspruch nehmen.«
»Aber es ist so interessant, was Sie machen.«
Korey beobachtete, wie Diane die Knochen auf dem Metalltisch anatomisch anordnete.
»Es ist nur schwer vorstellbar, dass der arme Kerl mal gelebt hat. Glauben Sie, Sie können ihn zum Sprechen bringen?«, fragte er.
»Oh ja. Er wird mir alles über sich erzählen. Mörder haben gar keine Ahnung, wie gesprächig Knochen sein können.«
35
D ie meisten Knochen des menschlichen Skeletts, außer dem Schädel, waren vorhanden, sogar der Atlas, also der Knochen, auf dem der Schädel ruht. Diane untersuchte ihn mit ihrer Handlupe. Sie prüfte auch alle anderen Knochen des Halses sehr gründlich.
»Keine Beschädigungen.«
»Heißt das, der Mörder hat den Kopf nicht abgetrennt und mitgenommen?«, fragte Korey.
»Wahrscheinlich nicht. Sonst hätte er Schnittspuren an den Halswirbeln hinterlassen.«
Ihre Ausgräber hatten sogar das kleine Zungenbein gefunden, jenen Knochen, der die Zunge stützt und der als Einziger mit keinem anderen Knochen verbunden ist. Doch die meisten Finger- und Zehenknochen und alle Knochen der rechten Hand fehlten. Sie vermutete, dass viele der kleinen Knochen sich noch unter dem Material befanden, das noch gesiebt werden musste.
Nachdem alle Knochen angeordnet und das rechte Schulterblatt, der Oberarmknochen und das Schlüsselbein in ihrer richtigen Position lagen, war die Art der Verletzung klar zu erkennen und bestätigte, was sie bereits gesehen hatte, als Frank ihr das Schlüsselbein zum ersten Mal gezeigt hatte. Auch die zweite, dritte, vierte und fünfte Rippe waren unterhalb des Schulterblatts gebrochen. An der Stelle, an der diese Knochen zusammenkommen, waren sie zerquetscht worden. Sie untersuchte das Schulterblatt mit der Handlupe. Ein Teil der Beschädigung hatte eine gerade Kerbe in dem zerquetschten Knochen hinterlassen.
»Das muss wehgetan haben«, sagte Korey.
»Ich glaube, er wurde ohnmächtig, wenn er überhaupt noch bei Bewusstsein war.«
»Können Sie erkennen, was geschehen ist?«
»Was immer für eine Wucht ihn traf, sie kam von hinten und richtete sich direkt auf das Schulterblatt.« Diane machte eine gezielte Handbewegung, als wolle sie das Schulterblatt treffen. »Die Verletzung ist zu groß, als dass sie von einer Person mit einer geschwungenen Waffe hätte beigebracht werden können.«
»Wovon denn sonst?«
»Ich weiß es nicht.« Sie legte die Knochen an ihren Platz zurück. »Er hat auch einen verheilten Bruch im linken Schienbein. Vielleicht gibt es irgendwo eine Röntgenaufnahme, die ihn identifizieren könnte, wenn wir je einen Anhaltspunkt finden, wer er sein könnte.«
»Was wissen Sie sonst noch über ihn?«
»Er war sehr muskulös.« Sie zeigte auf die ausgeprägten Muskelansätze an seinen Armen und Beinen. »Knochen sind plastisch und verformen sich das ganze Leben lang. Darum kann man ihnen ansehen, ob sie hart arbeiten oder trainieren mussten. Starke Muskeln brauchen einen festeren Halt.« Sie erzählte ihm von den Ergebnissen der stabilen Isotopenanalyse, die sie an dem Schlüsselbein vorgenommen hatte.
»Na, das ist ja cool. Sie sollten eine forensische Abteilung im Museum einrichten. In der
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