Sterbliche Hüllen: Thriller (German Edition)
auffällt.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
Diane setzte sich in den Schneidersitz und musterte die vor ihr liegenden Knochen. Der Kopf des Humerus war völlig zerschmettert. Dies war der Teil, der in die ebenfalls zertrümmerte Gelenkpfanne der Skapula hineingepasst hätte.
»Werden Sie den Unterschied zwischen tierischer Einwirkung und, sagen wir mal, einer Verletzung feststellen können?«, fragte der Ausgräber.
»Ich denke schon.« Sie berührte den Knochen ganz leicht mit den Fingern. »Interessante Knochen.«
Plötzlich klingelte das Handy in ihrer Hemdtasche. Sie holte es heraus und drückte die Antwort-Taste.
»Dr. Fallon. Hier ist Serena Ellison, Star Boones Anwältin.«
Diane war enttäuscht. Sie wartete auf Nachrichten über Frank – gute Nachrichten.
»Ja?«
»Ich habe veranlasst, dass wir beide sie in einer Stunde besuchen können. Ich weiß, dass ist sehr kurzfristig, aber …«
»Treffen wir uns vor dem Gefängnis?«
»Wunderbar. Bis nachher.«
Das war wirklich wunderbar, dachte sie. Wenn sie Frank das nächste Mal sah, konnte sie ihm erzählen, wie es Star ging. Diane stand auf. »Darf ich kurz um Ihre Aufmerksamkeit bitten?«
Jedermann hörte mit seiner Arbeit auf und schaute zu ihr herüber.
»Als Erstes möchte ich Ihnen herzlich für die Qualität und die Geschwindigkeit danken, mit der Sie Ihre Arbeit hier erledigen. Ich weiß, dass Sie Extraschichten eingelegt haben, um so schnell voranzukommen, und ich bin Ihnen dafür sehr dankbar. Ich selbst muss jetzt in die Stadt zurück, aber es wäre schön, wenn Sie heute noch die menschlichen Überreste zeichnen, kartieren und bergen könnten. Jonas, könnten Sie sie dann in mein Büro im Museum bringen? Und bitte erzählen Sie niemandem, um was es sich dabei handelt.«
Die Ausgräber schauten einander an, als ob sie alle Mitglieder einer Verschwörung wären.
»Geht in Ordnung«, sagte Jonas.
Jonas begleitete sie noch bis zum Bachübergang. Diane sah, wie er sich den Nacken mit einem großen Taschentuch abwischte.
»Alles okay mit Ihnen?«, fragte sie ihn.
»Mir geht es ausgezeichnet. Über mich müssen Sie sich keine Sorgen machen.«
»Gut. Ihr Leute hier leistet wirklich hervorragende Arbeit.«
»Wir machen es gern. Ich mache es gern. Ich muss Ihnen danken, dass Sie mir diese Gelegenheit gegeben haben.«
»Diese Geschichte von gestern Nacht. Haben Sie die als gefährlich empfunden?«
»Nein. Ich hatte den Eindruck, dass diese Leute mehr Angst vor uns hatten als wir vor ihnen. Für uns waren es nur Raubgräber. Glauben Sie, es war der Mörder?«
Jonas sprach das Wort Mörder aus, als ob er an eine solche Möglichkeit überhaupt nicht glauben könne.
Sie bezweifelte, dass Archäologen es je mit Mördern zu tun hatten.
»Ich weiß es nicht, Jonas«, sagte sie.
34
D iane überquerte den Bach und marschierte zu ihrem Auto zurück. Sie setzte sich hinters Steuer und hielt einen Augenblick inne, bevor sie den Schlüssel ins Zündschloss steckte. Am liebsten wäre sie nach Hause gefahren, um zu schlafen. Stattdessen machte sie sich auf den Weg ins Gefängnis von Rosewood.
Das Gefängnis war neu. Der Besprechungsraum, den die Anwältin und Diane nutzen konnten, roch nach Farbe und Desinfektionsmittel.
»Es dauert aber ziemlich lange«, sagte Diane und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr.
»Allerdings«, bemerkte Serena Ellison. »Ich hasse es, wenn man mich warten lässt.«
Plötzlich flog die Tür auf, als hätte draußen jemand den Augenblick abgepasst, in dem Diane und die Anwältin ungeduldig wurden.
Von einer Wärterin begleitet, schlurfte Star in einem leuchtend orangefarbenen Overall herein. Sie war bleich und sah in ihrer ausgebeulten, schlecht sitzenden Gefängniskleidung besonders dünn aus.
»Wie geht es Onkel Frank?«, fragte sie bereits in der Tür.
»Es geht ihm gut«, erwiderte Diane. »Ich habe ihn heute Morgen besucht, und im Vergleich zu gestern geht es ihm viel besser.«
Star kam an den Tisch und setzte sich. Für einen Moment sah es so aus, als wolle die Wärterin bleiben, bis Stars Anwältin ihr einen finsteren Blick zuwarf.
»Wie geht es dir?«, fragte Diane.
Star zuckte die Schultern. »Es ist langweilig, und die Wärterinnen sind gemein.«
»Was heißt gemein?«, wollte Serena wissen.
»Sie reden Blödsinn, meinen, ich muss durch die Hölle gehen.«
»Werden sie auch handgreiflich? Schlagen sie dich oder geben sie dir nichts zu essen?«
»Wenn ich nichts zu essen bekäme, würden sie
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