Sterbliche Hüllen: Thriller (German Edition)
zweiten Etage haben wir noch Platz dafür.«
»Ein Vorstandsmitglied hat das auch schon vorgeschlagen. Dabei bin ich hergekommen, um gerade keine Gerichtsmedizin mehr zu betreiben.«
»Sollte wohl nicht sein. Vielleicht will das Universum Ihnen damit etwas sagen.«
»Ja, dass ich eine Idiotin bin.«
Diane hätte gern anhand des Schädels die Rasse bestimmt. Ohne ihn musste sie andere Methoden anwenden. Es handelte sich meistens um Messungen, die aber alle sehr ungenau waren.
Sie begann mit den Röhrenknochen. Zuerst legte sie den linken Oberarmknochen auf ein osteometrisches Brett – eine Holzfläche, auf der das eine Ende des Knochens an ein »Kopfbrett« gelegt wird, während man mit einem verschiebbaren »Fußbrett« seine Länge markiert. Die Messergebnisse gab sie in ihren Computer ein.
»Die meiste Zeit messe ich nur«, sagte sie. »Es ist, als würde man das Gras beim Wachsen beobachten.«
»So kommt es mir auch vor«, sagte Korey. »Ich werde lieber im Labor weitermachen. Rufen Sie mich, wenn ich Ihnen etwas bringen kann.«
Diane widmete sich wieder ihrer Arbeit und verlor bei ihren minutiösen Messungen der verschiedenen Knochenteile jegliches Zeitgefühl. Sie gab alle Daten in ihren Computer ein und musste an Kevins Frage auf dem Empfang denken, wofür er Mathematik brauche. Wenn er sie jetzt sehen könnte, würde er meinen, sie täte nichts anderes als rechnen, aber die Mathematik lieferte oft die besten Ergebnisse. Vermessen war zwar langweilig, aber sie hatte gelernt, gründlich zu sein.
Das Klingeln ihres Handys schreckte sie auf. Vielleicht sollte sie es durch eine Melodie ersetzen.
»Dr. Fallon. Hier ist der Empfang. Ein Dr. Duncan möchte Sie sehen.«
Dr. Duncan . Wer ist das denn? Dann erinnerte sie sich an Franks Bruder Linc. »Sagen Sie ihm bitte, er soll in den ersten Stock ins Mitarbeiterzimmer kommen. Und zeigen Sie ihm den Weg.«
Diane verließ das Gewölbe und schloss die Tür hinter sich. Korey saß noch über seinen Papieren.
»Ein Besucher ist auf dem Weg zu mir«, sagte sie. »Franks Bruder. Ich werde eine Weile fort sein. Wenn Sie gehen, schließen Sie bitte ab. Ich habe einen Schlüssel.«
Sie ging auf die Toilette neben Koreys Büro, um sich die Hände zu waschen. Der Spiegel verriet ihr, wie schlecht sie aussah. Sie fuhr sich mit den nassen Fingern durch das Haar, aber das half auch nicht. »Schließlich habe ich kein Date mit ihm«, sagte sie zu ihrem Spiegelbild.
Als sie das Konservierungslabor verließ und über den Flur zum Mitarbeiterzimmer ging, kam Linc aus dem Aufzug und ging durch die Tür zum Ostflügel. Er hielt zwei große Pizzaschachteln und eine Tüte, in der vermutlich Getränke waren, in der Hand.
»Ich hoffe, Sie mögen Pizza«, sagte er.
»Ja, mag ich, aber wie viele Leute möchten Sie füttern?«
Er lächelte. »Man weiß ja nie.«
Er erinnerte sie sehr an Frank. Offensichtlich war es in der Familie üblich, zu viel zu essen mitzubringen. Tränen traten ihr in die Augen. Sie drehte den Kopf zur Seite und führte Linc in den Aufenthaltsraum. Er stellte die Schachteln auf den Tisch in der Ecke, holte die Getränke heraus und reichte ihr eine Flasche Wasser. »Sie sehen ganz ausgetrocknet aus.«
»Mir geht es gut. Ich habe nur eine gequetschte Niere.«
»Eine gequetschte Niere gibt es nicht nur so. Sie klingen wie manche Sportler, die ich behandelt habe, und ich sage Ihnen jetzt dasselbe, was ich denen immer sage: Sie sind nicht unbesiegbar.«
»Wie geht es Frank?«
Linc schwieg eine ganze Weile.
»Nun sagen Sie schon, was ist passiert?« Panik stieg in ihr hoch und drehte ihr fast den Magen um.
»Er hat eine Lungenentzündung bekommen.«
»Oh Gott, wie schlimm ist es?«
»Schlimm genug. Sie behalten ihn auf der Intensivstation.«
Diane stand auf. »Ich muss ihn sehen.«
Linc hielt sie an der Hand fest. »Er schläft jetzt. Essen Sie erst einmal. Ich hoffe, Sie sind keine Vegetarierin. Ich habe Salami auf die Pizza legen lassen.«
»Nein, ich bin keine Vegetarierin.« Diane nahm Pappteller aus einem Schrank im Aufenthaltsraum, und sie setzten sich an den Tisch, um zu essen. Es fiel ihr schwer, die Tränen zu unterdrücken.
»Frank bringt mir auch immer etwas zu essen, immer viel zu viel. Das muss bei Ihnen in der Familie liegen.«
»Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir Jungs nie genug bekommen konnten, als wir größer wurden.«
Diane nahm sich ein Stück Pizza und biss hinein. Es war noch warm und schmeckte gut. Dass sie
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