Sterbliche Hüllen: Thriller (German Edition)
Moment. Als Diane ihn ansah, bemerkte sie, dass seine Augen feucht waren.
»Seine Angelausrüstung, sein Fußballtrikot, seinen CD-Player – alles, was von seinem kurzen Leben übrig geblieben ist. Jay und ich sind oft zusammen angeln gegangen. George liebte die Jagd, aber Jay mochte die Vorstellung nicht, auf Lebewesen zu schießen. Aber er war ein großer Angelfan. Er war auch ein guter Fliegenfischer. Das ist gar nicht so einfach, wie du ja weißt. An den Sommerwochenenden nahmen ich, George und Jake Houser unsere Söhne in meine Jagdhütte mit. George, Jake und Dylan gingen dann jagen. Jay, Kevin und ich angelten. Oben in seinem Zimmer musste ich daran denken, dass George und Louise wenigstens nicht mehr seinen Tod mitbekommen haben. Ich würde verrückt werden, wenn ich Kevin verlieren würde – vor allem auf diese Weise.«
Diane schlang die Arme um ihre Beine und legte eine Wange auf ihr Knie. In der Ferne schrie eine Eule.
»Sie haben seinen Computer mitgenommen«, fuhr Frank fort. »Ich sollte eigentlich froh sein, dass Warrick zumindest so tat, als würde sie Beweismittel sammeln. Trotzdem würde ich doch gerne einen Blick auf seine Festplatte werfen.«
»Vielleicht kann dir dein Freund, dieser Izzy, ja berichten, was darauf ist.«
»Ich würde es schon gern selber machen. Das ist wie bei dir und deinen Blutspritzern – man muss sich mit Computern auskennen, um sie vollständig auswerten zu können. Man muss wissen, wo und wie man suchen muss. Außerdem ist Izzy ein einfacher Streifenpolizist, und deshalb kann er mir nicht alle Ergebnisse von Warricks Untersuchung beschaffen. Er hat sich sowieso schon ziemlich exponiert.«
Diane schwieg einen Moment. Sie war sich sicher, dass es bei der örtlichen Polizei jemanden gab, der sich den Inhalt der Festplatte anschauen konnte. Dann fiel ihr ein, dass Frank ja ein Computerexperte war, der vor allem Computerbetrugsfälle bearbeitete. »Vielleicht lassen Sie dich ja doch einen Blick darauf werfen.«
Frank blickte sie an. »Ja, vielleicht.«
»Du kannst zumindest fragen.«
»Ich habe auch Stars Zimmer durchsucht. Das hat allerdings nicht allzu viel gebracht. Erstaunlich nur, dass ich überhaupt keine persönlichen Dinge aus der letzten Zeit gefunden habe – es war mehr wie eine Reise in ihre Vergangenheit. Ich habe auch darüber nachgedacht, dass man auf George und Louise gleichzeitig geschossen und eingeschlagen hat. Das bedeutet doch, dass es zwei Täter gegeben haben muss, oder? Zwei verschiedene Waffen.«
Frank schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Ich frage mich … Ich meine, da sind Star und ihr Freund … auf Drogen. Nur, ich kann mir Star nicht so voller Hass vorstellen … Man muss ja ganz schön viel Hass aufgestaut haben, um ein solches Blutbad zu veranstalten. Habe ich nicht Recht?«
»Hör auf damit, die tatsächlichen Vorgänge zu rekonstruieren, bevor wir überhaupt alle Spuren gesammelt haben. Im Augenblick wissen wir noch gar nichts, nur dass sie erschossen wurden. Das hat der Gerichtsmediziner doch hier vor Ort festgestellt, nicht wahr?« Frank nickte. »Und auf wenigstens eine Person wurde eingeschlagen. Wir wissen nicht, ob beide geschlagen wurden, und wir wissen nicht, wie viele Leute daran beteiligt waren. Wir haben nur diesen Tatort. Lass mich ihn fertig untersuchen. Morgen setzen wir uns dann zusammen und besprechen alles.«
»Du hast Recht.« Frank stand auf und zog Diane mit sich hoch. »Keiner von uns hat bisher etwas gegessen. Ein bisschen weiter unten gibt es einen Grill. Du magst doch diese kleinen viereckigen Cheeseburger, nicht wahr? Ich hole uns etwas zum Essen.«
»Das ist eine gute Idee.« Diane streckte den Rücken. »Und bring ordentlich viel Kaffee mit.« Sie öffnete die Eingangstür und verschwand im Haus. »Ich bin dann oben bei der Arbeit.«
14
B evor Diane ihre düstere Arbeit wieder aufnahm, schaute sie sich ein silbergerahmtes Foto auf dem Frisiertisch an. Es war eine Studioaufnahme der ganzen Familie. Familienporträts erzählen nur selten die Wahrheit. Sie zeigen immer eine glückliche Familie. Das ist ihre Aufgabe, und die erledigen sie so gut, dass alle, die die lachenden Gesichter einer Familie betrachten, die Opfer einer Tragödie wurde, es kaum fassen können, wie diesen lieben Leuten so etwas Schreckliches zustoßen konnte.
Das Porträt der Familie Boone war von dieser Sorte. Alle sahen darauf glücklich aus – und ganz anders als auf den Fotos, die Diane bisher hatte anschauen
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