Sterbliche Hüllen: Thriller (German Edition)
aber die Hand ließ sich nicht abschütteln, sondern verstärkte sogar noch den Griff um ihren Oberarm. Sie versuchte, sich umzudrehen, um zu sehen, wer der Angreifer war. Dieser stieß sie jedoch in ein Zimmer hinein, wo sie auf einem Teppich ausrutschte, auf die Schulter fiel und sich dabei den Kopf an einem Möbelstück anschlug. Sie sah das Schlachtermesser, das sie bedrohte, bevor sie das Gesicht der Person sehen konnte, die es in der Hand hielt.
»Ich steche dich ab. Ganz bestimmt.«
Diane schaute in das verzerrte Gesicht eines etwa sechzehnjährigen Jungen. Seine ungekämmten, braunen Haare fielen ihm ins Gesicht. Seine Kleider sahen aus, als habe er in einer Höhle gelebt. Sie waren zerknittert, schmutzig und voller Spinnweben.
»Du bist Stars Freund, nicht wahr?«, hörte sich Diane mit mehr Entschlossenheit sagen, als sie tatsächlich empfand.
»Halt’s Maul!«
Sie griff nach der Frisierkommode, neben der sie gelandet war, und zog sich an ihr hoch. Sie schaute sich im Zimmer um. Sie sah ein Bett aus Zedernholz mit Nachttisch, auf dem Bett lag ein grünrot karierter Überwurf, darüber hing ein Hirschgeweih. Es gab keinerlei persönliche Gegenstände. Das Gästezimmer? Hatte er hier gewohnt? Nein. Dazu war es zu sauber.
Er stand einige Meter entfernt von ihr, hielt das Messer aber immer noch auf sie gerichtet. »Ich habe Ihnen beiden vorhin zugehört. Sie wollen mir das anhängen – mir und Star.«
»Nein, das stimmt nicht.«
Er fuchtelte mit dem Messer vor ihren Augen herum. »Lügen Sie nicht. Ich habe Ihnen zugehört. Ich habe gehört, was Sie gesagt haben.«
»Was du gehört hast, war unsere Angst, dass Star dies vielleicht getan haben könnte. Angst, nicht Gewissheit. Du hast doch gehört, dass Frank nicht einmal einen vollständigen Satz herausbekam, als er über Star redete. Frank liebt Star. Sie ist die Tochter seines besten Freundes. Er ist jetzt ihr Vormund und hat schreckliche Angst um sie. Wenn du tatsächlich hingehört hast, musst du das doch bemerkt haben.« Diane hatte den Eindruck, dass sich seine Gesichtszüge etwas entspannten. »Weißt du, wer das war?«, fragte sie ihn.
»Ich jedenfalls nicht. Und Star auch nicht.«
»Warum stehst du denn da und richtest ein Messer auf mich?«
»Weil … Ach, halten Sie doch den Mund. Sie wissen doch überhaupt nichts.«
»Warum erzählst du es mir dann nicht?« Sie hörte ihr Telefon im Nachbarzimmer klingeln. »Das ist mein Handy. Er erwartet, dass ich rangehe.«
»Er wird denken, Sie seien auf dem Klo oder hätten es abgestellt.«
»Auf jeden Fall wird er bald zurück sein.«
»Ich weiß.« Er ging schnellen Schrittes zwischen ihr und der Tür hin und her. »Ich muss nachdenken.«
»Was tust du eigentlich hier?«
»Seien Sie still. Ich muss nachdenken.«
»Wie heißt du?«
»Also, was muss ich machen, dass Sie endlich den Mund halten?«
»Warum hast du mich hier hereingeschleppt? Warum hast du nicht einfach abgewartet, bis wir wieder weg sind? Du musst doch etwas wollen.«
»Ich dachte, Sie würden später noch das Haus durchsuchen. Da wollte ich Ihnen zuvorkommen. Und außerdem haben Sie vielleicht etwas Geld.«
»Okay, ich bin in deiner Gewalt. Und was willst du jetzt tun?«
Er ging einige Schritte auf sie zu. »Ich könnte Sie fertig machen.«
»Wenn du Stars Eltern nicht getötet hast, warum jetzt damit anfangen? Ich könnte dir sogar helfen. Wie heißt du?«
»Dean! Dean langt. Sind Sie jetzt zufrieden? Glauben Sie, ich weiß nicht, dass Sie mich der Polizei übergeben wollen?«
»Sich selbst zu stellen wäre vielleicht gar keine so schlechte Idee.«
»Für mich klingt das wie eine äußerst miese Idee. Ihr seid doch alle gleich. Ihr wollt mich kontrollieren und mir vorschreiben, was ich zu tun habe.«
»Nein. Du ganz allein bestimmst, was du tun willst. Du triffst deine eigenen Entscheidungen. Ich würde dir nur empfehlen, dich für etwas zu entscheiden, was auch funktioniert. Das hier führt zu nichts. Schau dich doch mal im Spiegel an. Wenn verschleimte Augen und eine Rotznase keine neue Modemasche sind wie grüne Haare oder das Piercen, dann bist du gerade nicht besonders gut drauf. Du bist hungrig, du bist allein, die Polizei sucht dich – das Ganze läuft also nicht so besonders gut für dich.«
Er wischte die Nase an seinem Jackenärmel ab. »Und was soll das helfen, wenn ich mich stelle?«
»Es wäre schon einmal ein Anfang. Es wird gut für dich aussehen, wenn dein Anwalt dem Gericht sagen kann, dass
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