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Stern auf Nullkurs (1979)

Stern auf Nullkurs (1979)

Titel: Stern auf Nullkurs (1979) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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zuckender Berg türmt sie sich vor ihm auf, die Zentralkammer ausfüllend. Rötliche Adern überziehen den prallen Leib mit einem grobmaschigen Netz, über das langsam peristaltische Wellen dahingleiten, Wellen, die sich ordnen, die zu fließen beginnen in konzentrischen Ringen, sich verengend und strahlig auf einen Punkt weisend...
     
    Draußen erwartet ihn Hisip, der Skeptiker.
    Gemeinsam schweben sie durch den Tunnel, benommen noch, irgendwo stoßen die Kontakter zu ihnen. 
    „Wie schön sie ist, die Große Mutter", sagt Hisip. 
    Ausgerechnet Hisip muß das sagen. Ist sie denn wirklich schön, die Große Mutter, dieser mächtige Berg weißen Fleisches, diese ungeheure Gebärmaschine, die nichts tut, als sich zu ernähren und zu gebären, die den Samen Tausender in sich aufnimmt wie ein unersättlicher Schlund, um wieder tausendfach Leben zu geben? Kann solch ein Wesen überhaupt schön sein?
    „Mit welch verrückten Gedanken du dich herumträgst", sagt Hisip. Sein Erstaunen ist unverkennbar, und vielleicht deshalb fühlt er sich verpflichtet, eine Erklärung abzugeben. „Ich begreife dich nicht. Kann ein Astrat so reden? Die Kopula ist ein einfacher und natürlicher Vorgang. Jede Generation stammt von einer gemeinsamen Mutter ab. Berechtigt dich das, sie Gebärmaschine zu nennen? Oder gar Fleischberg? Berechtigt dich das, sie als häßlich zu bezeichnen? Ich sage, das ist unnormal! Ich halte es für natürlich, daß die Mutter unserer Nachkommen für unsere Begriffe Schönheit und Vollkommenheit verkörpert. Selbst wenn sie anders aussieht als wir. Schließlich ist auch ihre Aufgabe eine ganz andere."
    Kalo denkt nicht daran, Hisip zu widersprechen. Er fühlt ja ähnlich wie der Freund. Aber da ist etwas anderes, das ihn die Genugtuung nicht voll empfinden läßt, zu wissen, daß er seine Pflicht erfüllt und zugleich sein Recht wahrgenommen hat, zu wissen, daß er sich vervielfachen wird. Da ist etwas, was die Freude schmälert, etwas, was in seiner Vergangenheit liegen muß.
    „Nur eins gefällt mir nicht", sagt Hisip. „Viele unserer Larven werden der Schrumpfung zum Opfer fallen. Das schadet der Evolution. Beschränkung wirkt sich immer nachteilig aus." 
    Hisip irrt. Es wird nicht so bleiben, wie es war, jetzt, da sie die neue Sphäre geschaffen haben. Jetzt wird sich die Populationsdichte wieder erhöhen können. Es wird viele Städte wie das wunderbare Astur geben, und unbegrenzte Energien werden ihnen zur Verfügung stehen. Bald schon, in fünf bis zehn Umläufen. 
    Doch Hisip winkt ab. „Nur eine neue Sonne..." 
    Und so steht am Ende die gleiche Frage wie am Anfang: Heißt Evolution auch Expansion, ist die Ausbreitung der Art wirklich unabdingbarer Bestandteil der Entwicklung, ist das eine ohne das andere nicht denkbar?
     
    Die Wölbung der Schale verflacht, die Ränder biegen sich zögernd auswärts, langsamer werden die Pulsationen, zugleich deutlicher, verwischen sich schließlich, dann ist da nur noch ein Lichtfleck, hell und schimmernd zuerst, doch auch er wird schwächer, wie aus einem Nebel tauchen die Wände der Zentrale auf.
    Doch noch ehe Kalo aufatmen kann, faßt das Fremde erneut nach ihnen, blitzschnell saugt es ihn hinab in den Strudel nichtmenschlichen Bewußtseins. Er sieht und spürt den Jubel, der sich unter den Astraten erhebt, als sie zweitausend Jahre nach dem Bau der großen Sphäre eine fremde Sonne entdecken und als dieser winzige Stern endlich nach langen Tagen des Hoffens wie ein gelbliches Fünkchen über dem schwarzen Horizont Astrats aufsteigt. Und es gelingt ihm nicht, sich gegen diesen Jubel abzugrenzen, obgleich er weiß, daß es sich um die irdische Sonne handelt, und obwohl er spürt, daß ihr Gefahr droht. 
    Dann erst fällt das Unbegreifliche von ihm ab. Erneut tauchen die Wände auf, die Streben, die Instrumente, Tonder und Pela. 
    Sie liegen in den Sesseln, kraftlos und unfähig, sich zu bewegen. Tonders Arme hängen hinter der Lehne herab, als gehörten sie nicht zum Körper. Erst nach Minuten beginnen sich die Hände zu bewegen, öffnen und schließen sich mehrmals, als versuche der Pilot ihre Funktion zu erproben.
    „Oh, verdammt!" murmelt Veyt Tonder schließlich. „Das ist das Ende."
    Vielleicht hat der Pilot als erster die Zusammenhänge begriffen. Es kann sich um nichts anderes handeln als um eine Botschaft der Fremden, die sich Astraten nennen und die wissen lassen, daß sie nur weiterexistieren können, wenn sie sich die Sonne des irdischen

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