Stern auf Nullkurs (1979)
schlägt die von Pela auf den Schirm gezauberten Flecken immer wieder in den Bann seiner farbigen Linien, treibt sie zurück, kreist sie ein, überlagert sie. Dann aber wechselt Pela plötzlich die Taktik, ihre Flecken beginnen zu zerfließen, verwandeln sich in Schemen, kaum noch erkennbar, dann tauchen sie außerhalb seiner Grenzlinien auf und treiben ihn zu komplizierten Manövern, mitunter zum Rückzug, manchmal auch zu brutalem Angriff.
Er spürt, daß er zu ermüden beginnt, daß sich seine mühsam aufgebaute Konzentration verflüchtigt.
Unter halb gesenkten Lidern beobachtet er Pela, den harten Zug um ihren Mund, die fast geschlossenen Augen, die Wangenmuskeln, die ein wenig hervortreten, wenn sie die Zähne aufeinanderpreßt. So sah sie aus, als sie ihr erstes Interview nach der Rückkehr von Astrat gab, als sie sekundenlang ihre Gedanken ordnete, bevor sie mit heftiger Geste erklärte: „Und so erscheint es mir absolut sicher, daß sie nicht kampflos aufgeben und weiterziehen werden. Eine Zivilisation kann sich nicht wissentlich dem Untergang aussetzen. Das widerspräche einem Grundgesetz der Entwicklung allen Lebens."
Kalo kennt dieses Grundgesetz. Der Philosoph Torben hat es zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts in Worte gefaßt: Während der Evolution einer Intelligenz werden immer wieder objektive Gefahren auftreten, die ihre Existenz bedrohen oder gar in Frage stellen. Von einer bestimmten Entwicklungsstufe der Gesellschaft und der Produktivkräfte an tragen diese Gefahren den Keim ihrer Beseitigung jedoch bereits in sich. Eine derartige Gesellschaft wird stets imstande sein, diese Gefahren zu überwinden.
Hatte nicht auch die Menschheit diese Stufe bereits erreicht? Auch heute noch fühlt er sich unbehaglich, wenn er sich vergegenwärtigt, mit welch suggestiver Kraft Pela ihre These vortrug, wie man ihre Worte notierte und konservierte, wie man ihre Gesten mit Kameras einfing. Schon damals spürte er, daß es nur wenige solcher Konferenzen bedurfte, um in den meisten Menschen die Überzeugung zu wecken, es gäbe keine größere Gefahr für die Erde und vielleicht das ganze Sonnensystem als ebendiese Astraten auf ihrem schwarzen Stern.
Da ist wieder diese Resignation, dieser geheime nagende Zweifel, der ihn so oft nach einer kurzen Zeit der Hoffnung befällt. Der gleiche Zweifel, den auch Aikiko in ihm zu wecken verstand, wenn sie über die Kommunikationstechnik lächelte, der gleiche Zweifel, den er spürte, wenn er über die Möglichkeit fremden Lebens im Kosmos referierte und sich die spöttischen Mienen seiner Zuhörer ansehen und ihre manchmal wenig sachlichen Einwürfe beantworten mußte.
Aber er weiß, diesmal wird er nicht aufgeben, diesmal nicht. Von der Einstellung der Menschen zu den Astraten kann sehr viel, kann alles abhängen, diesmal wäre es nicht nur seine, Kalos, Niederlage, sondern eine Niederlage für das intelligente Leben an sich.
Von der zweiten Pressekonferenz fuhr er mit Pela, Tonder und einigen anderen Leuten zurück zum Hotel. Pelas Worte und vielleicht noch mehr ihre Gesten hatten in ihm eine brausende Leere hinterlassen, ein Gefühl absoluter Ohnmacht. Die erregten Gespräche im Wagen flossen an ihm vorbei wie die Wasser eines mächtigen Stromes, kaum erkennbar in ihren einzelnen Wellen und gefährlich für den, der sich ihnen bedenkenlos anvertraute. Er wußte, wie wichtig es sein würde, festen Boden unter den Füßen zu behalten. Wichtig auch und vor allem für die Menschheit.
Bisher hat es wenig genützt, daß er sich gegen Pelas Hypothese stellt, daß er immer und überall versucht, das von ihr vertretene Bild der Astraten zu korrigieren. Er kann zwar die These von der Gefahr einer Aggression in Abrede stellen, das Gegenteil zu beweisen vermag er nicht. Hinzu kommt, daß er seiner Sache durchaus nicht sicher ist. Längst weiß er, daß er die Botschaft in vielen Details anders aufgefaßt hat als Pela. Und Tonder hat sie noch schärfer, noch gefährlicher in Erinnerung. Das kann durchaus mit gewissen charakterlichen Eigenheiten der Empfängerperson zusammenhängen.
Stets stand am Schluß von Kalos Entgegnungen die gleiche Formel: „Es ist unwissenschaftlich, anzunehmen, eine derart hochentwickelte Zivilisation sei imstande, andere Intelligenzen des eigenen Vorteils wegen anzugreifen. Sie hat das Stadium potentieller Aggressivität längst hinter sich gelassen." Und stets brachte ihm diese Überzeugung nichts anderes ein als ein Schulterzucken oder
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