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Stern auf Nullkurs (1979)

Stern auf Nullkurs (1979)

Titel: Stern auf Nullkurs (1979) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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Sein 
    Drachen war nicht mehr auszumachen.
    Als Kalo die Bucht überquert hatte, war die Wolkenwand vor ihm verschwunden. In weniger als einer halben Stunde hatte der Seewind den Himmel blankgefegt. Mit Wolkenaufwind war ab jetzt nicht mehr zu rechnen. Und da die Ebene in einiger Entfernung in ein ausgedehntes Waldgebiet überging, war anzunehmen, daß auch die Aufwindschläuche der Bodenthermik seltener würden. Über dem Wald mußten sie theoretisch völlig ausbleiben. Kalo machte sich auf eine gewaltige Quälerei gefaßt.
    Tatsächlich steigerte sich der Schmerz in den Muskeln zu einem dumpfen Brennen, kaum daß Kalo vier oder fünf Kilometer des Waldgebietes hinter sich gebracht hatte. Und noch immer war kein Ende abzusehen. Er versuchte sich die Karte der unter ihm liegenden Gegend vorzustellen, aber er kam mit den Maßstäben nicht zurecht. Auf der Karte hatte alles viel kleiner ausgesehen. Ein wenig tröstete ihn der Gedanke, daß sich auch Nelen über dieses Gebiet hinweg-zuquälen hatte.
    Eine halbe Stunde später war er am Ende seiner Kräfte. Zudem verursachte ihm die Anstrengung auch noch Luftmangel. Eine Abweichung vom Leitstrahl durfte er sich nicht mehr leisten, nur noch auf einzelnen Waldlichtungen waren kleine Gruppen von Zuschauern zu entdecken. Die Konzentration auf das abgehackte Fiepen der Elektronik fiel ihm von Minute zu Minute schwerer, sie zerrte so an den Nerven, daß er die Lautstärke zurückregelte.
    Allmählich tauchte der Wunsch auf, das Rennen abzubrechen, sich abermals mit dem zweiten Platz zufriedenzugeben. Vor einigen Tagen war ihm das nicht sonderlich schwer geworden, und auch diesmal würde er es verwinden können, wozu sollte er sich bis an das Ende seiner physischen Kräfte quälen?
    Als er zum Fallflug überging, sah er unter sich einen roten Drachen. Nelen überquerte eine Lichtung in ganz geringer Höhe. Noch flog er zwar, aber er befand sich wohl schon unterhalb der Wipfel. Augenscheinlich setzte er zur Landung an.
    Kalo hatte die Lichtung schon passiert, als das rote Dreieck unter ihm zusammenklappte und den Flug beendete. Jetzt lag er an der Spitze. Er rastete die Haltestreben der Tragflächen ein und versuchte sich zu entspannen. Er hoffte, sich zu erholen, um noch einige Kilometer zurücklegen zu können, einige Kilometer mehr als Nelen. Aber der Schmerz in den Muskeln ließ nicht nach, und der Luftmangel verging nur sehr langsam. Er schloß und öffnete mehrmals die Augen, als sich über die sattgrüne Fläche des Waldes rötliche Kreise schoben. Die Kreise verwischten sich, tanzten, aber sie blieben. Nun wußte er, daß seine Erschöpfung die Grenze des Vertretbaren erreicht hatte. Ging er jetzt nicht unverzüglich nieder, dann konnte er die Kontrolle über sich verlieren und abstürzen. Dieser Gedanke peitschte seine letzten Reserven auf. Die Kreise verschwanden. Auf einer Lichtung setzte er auf. Die Landung fiel überraschend hart aus, es war ihm unmöglich, den Stoß mit den Knien abzufangen, er strauchelte, hielt sich jedoch auf den Beinen. Seltsamerweise fühlte er keinerlei Triumph über seinen Sieg.
    Am Rande der Lichtung standen einzelne Zuschauer. Ihr Beifall war heftig, aber ihre Zahl so gering, daß der Applaus dünn und spärlich klang. Kaum jemand hatte wohl erwartet, daß man eine derartig weite Strecke meistern könne.
    Man half ihm aus den Gurten, jemand nahm ihm das Gerät ab, ein anderer reichte ihm eine Erfrischung. Er trank in langen Zügen. Dann streckte er sich im Gras aus. Es geschah unbewußt, mehr aus Erschöpfung als mit Absicht. Er schloß die Augen und verschränkte die Hände unter dem Kopf. Warm schien ihm die Sonne ins Gesicht.
     
    Erstaunte Rufe weckten ihn. Hoch oben glitt ein roter Drachen über die Lichtung. Langsam hoben und senkten sich die Flügel, man hörte deutlich die Rotoren summen.
    Mit einem Sprung war er auf den Beinen. Schneidender Schmerz fuhr ihm durch den Körper.
    „Helft mir, das Ding anzulegen", rief er und raffte den Drachen vom Boden auf.
    Kostbare Zeit ging verloren, ehe die Gurte richtig saßen, weitere, bis er einen geeigneten Startplatz gefunden hatte.
    Die ersten Schritte fielen ihm unsagbar schwer, bleierne Gewichte schienen die Füße festzuhalten, zu jeder Bewegung mußte er sich zwingen. Mehrmals glaubte er zu stürzen, aber er schaffte den Start. Etwa in der Mitte der Lichtung hob er ab. In den nächsten Minuten vergingen die Schmerzen in den Beinen bis auf ein kaum störendes Ziehen, dafür aber

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