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Stern auf Nullkurs (1979)

Stern auf Nullkurs (1979)

Titel: Stern auf Nullkurs (1979) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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sich zur Seite, und unter ihm tat sich erneut die eben überflogene Schneise auf. 
    Die Landung war nicht gerade ein Meisterstück. Seine Füße verfingen sich in Gras und Gestrüpp, nur zwei-, dreimal konnte er sie lösen, mit Riesensätzen nach vorn springen, dann blieb er endgültig im Kraut hängen, fiel und der Drachen begrub ihn unter sich. 
    Noch ehe er den Schmerz in den Knien spürte, roch er den Duft nach Gras und Moder. Er stützte sich mühsam auf, löste die Hände vom Boden und begann, immer noch kniend, die Gurte zu öffnen. Als das Fluggerät endlich von ihm abfiel, fühlte er sich ein wenig besser. Trotzdem erinnerte er sich nicht, jemals derart erschöpft gewesen zu sein. Er warf sich rücklings ins Gras und suchte den Himmel nach Nelens rotem Drachen ab.
    Nelens Drachen? Das war nicht Nelens Drachen gewesen. Diese dunkelhaarige, zierliche Person, dieser Schrei, der gelbe Anzug, das war niemand von denen, die am Wettflug teilgenommen hatten. Zumindest erinnerte er sich nicht an sie. Bestimmt hatte ihn irgendein Mädchen unabsichtlich genarrt, eine Touristin vielleicht. 
    Er fühlte sich erleichtert, als ihm einfiel, daß sich sein Verdacht gegen Nelen als unbegründet erwiesen hatte. Wie konnte er auch annehmen, der Nordländer sei eines solch hinterhältigen Betruges fähig? 
    Er spürte die angenehme Kühle des Grases durch den Overall, das Summen der Fliegen und Mücken schien ihm nach dem Geheul der Rotoren wie eine angenehme und beruhigende, einschläfernde Musik. Er schloß die Augen.
    Dann aber war das Heulen der Rotoren wieder da, unmittelbar über ihm. Ein roter Drachen setzte zur Landung an, ein Drachen, der von einer jungen Frau gesteuert wurde. Sie trug einen gelben Anzug und gelbe Flossen. Ihr Kopf war unbehelmt, das dunkle Haar wehte im Fahrtwind. Sie war zierlich und nicht sehr groß, ihre Haut bräunlich, und die Augen standen ein wenig schräg. Und diese Augen blitzten ihn jetzt sehr zornig an.

    „Was sollte dieser Unfug, Mann? Wolltest du mich rammen, du...?"
    Vielleicht hatte sie „Anfänger" oder ähnliches sagen wollen, aber dann erkannte sie wohl, wie erschöpft er war. Er antwortete nicht, er lauschte ihrer Stimme nach, dieser weichen Stimme, der auch der Zorn nicht den vollen Klang nehmen konnte. Es war eine Stimme, die ihn sofort faszinierte. Er deutete nach Süden, dorthin, wo er das Kraftwerk und die Stadt vermutete.
    „Bist du stumm?" In ihrer Stimme war jetzt ein wenig Anteilnahme, und das machte sie noch weicher. Zum erstenmal kam ihm der Gedanke an feine Seide. Aber nur wie ein Funke war der Gedanke, dann tauchten die rötlichen Kreise wieder auf.
    Endlich begriff sie. Vor Staunen bekam sie große Augen. „Bist du etwa einer von denen, die...?" 
    Er nickte.
    „Und du bist bis hierher geflogen? Von der Stadt aus?" 
    Er nickte abermals.
    Sie trat ein paar Schritte auf ihn zu, und an ihrer Miene erkannte er, daß er besorgniserregend aussehen mußte, dann wurden die roten Kreise zu einem dunklen Schleier, der alles um ihn herum verdeckte, den roten Drachen, das Gras und... sie.
    Als er zu sich kam, kniete sie neben ihm und rieb seine Stirn mit einer kühlenden Flüssigkeit. Sie war so schlank, daß er ihre Taille mit den Händen hätte umspannen können. Und sie war ihm so nahe, daß er nicht nur ihre Finger, sondern ihren ganzen Körper spürte. Als er ihre Hüften berührte, zuckte sie zusammen, aber sie wich nicht von seiner Seite.
    „Du erholst dich erstaunlich schnell", sagte sie, immer noch seine Stirn reibend.
    Ganz konnte er ihre Taille mit den Händen nicht umfassen, aber mehr als fünf Zentimeter blieben nicht.
    „Bleib ganz ruhig", sagte sie lächelnd. „Nur nicht nervös werden. Das Zeug brennt höllisch in den Augen." Ihre Stimme war noch weicher geworden.
    Er erinnert sich noch gut an diese Minuten, immer wieder hat er sich daran erinnert. Sie sprach leise auf ihn ein, und ihre Hände lagen noch immer auf seiner Stirn, so lange, bis er unter dieser Stimme und diesen Händen einschlief.
     
    Drei Wochen blieben sie damals nur zusammen, und nicht einmal zwei davon gehörten ihnen allein. Die erste war ausgefüllt mit Siegesfeiern und Pressekonferenzen. Immerhin hatte er einen neuen Landstreckenrekord aufgestellt, bevor er erneut gestartet war, um den vermeintlichen Betrüger zu verfolgen. Es war selbstverständlich, daß man sich für ihn und sein bisheriges Leben interessierte. Aikiko beobachtete seinen Stolz und seine Freude mit Nachsicht,

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