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Stern auf Nullkurs (1979)

Stern auf Nullkurs (1979)

Titel: Stern auf Nullkurs (1979) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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die Köpfe ein, er hätte sie mit den Fußspitzen berühren können. Erst in letzter Sekunde fing er den Sturz ab, und als er die Zielabsperrung überflog, ging Nelen abermals an ihm vorbei.
    Ein letztes Aufbäumen, die Flächen stellten sich quer, die Füße berührten den Boden, Nelen stand. Fast gleichzeitig setzte Kalo auf. Der Jubel der Zuschauer deckte die Geräusche der auslaufenden Rotoren zu. Dann standen sie nebeneinander, heftig atmend, ausgepumpt, mit hängenden Flügeln.
    Kalo schüttelte dem Sieger die Hand, und er stellte erfreut fest, daß er weder Neid noch Enttäuschung empfand, nur ein wenig Ärger über die eigene Ungeschicklichkeit.
    „War das ein Flug!" keuchte Nelen. „Noch nie habe ich mich so quälen müssen. War doch gut, daß mich die Psychologen auf dich aufmerksam gemacht haben. Fast hättest du es geschafft."
    Zum erstenmal sah Kalo den Nordländer lächeln, und langsam breitete sich in ihm eine Freude aus, die nicht größer hätte sein können, wenn er Sieger geworden wäre.
     
    Die Anfangsphase des Meisterschaftsfluges verlief zwar ähnlich, jedoch gab es schon in der Ausschreibung einen grundsätzlichen Unterschied. Diesmal wurde kein Zielflug, sondern ein Langstreckenflug ausgetragen. Da war kein Punkt, den die Konkurrenten unbedingt zu erreichen hatten, sondern ein Leitstrahl, auf dem sie eine möglichst weite Strecke zurücklegen mußten.
    Und noch etwas war anders. Vom Start weg hatte Kalo diesmal zwei Gegner vor sich: Nelens roten Drachen und das gelbe Fluggerät eines Physikers aus Nelens Trainingsgruppe.
    Bereits nach den ersten Kilometern wurde deutlich, daß man sich den Leitstrahl hätte sparen können, die Strecke wurde von Tausenden gesäumt. Die Drachen flogen über einer breiten Schneise zwischen winkenden Menschen dahin, Sportbegeisterten, die sich den eigentlichen Höhepunkt der Sportsaison nicht entgehen lassen wollten. 
    Taktische Finessen traten bei diesem Flug in den Hintergrund, nur Ausdauer, Selbstbeherrschung und Siegeswille zählten. Kalo wußte von Anfang an, daß es eine Quälerei werden würde. 
    „Heute kommt es nicht so sehr auf die Flughöhe an", hatte der Psychologe erläutert. „Bedenke jedoch, daß die Thermikschläuche erst von einer gewissen Höhe an voll zur Wirkung kommen. Bleib also nicht unmittelbar über dem Boden. Und versuch dich möglichst den Wäldern fernzuhalten, dort gibt es weniger Aufwind."
    Beim Überqueren des Kraftwerks flog unmittelbar vor Kalo der gelbe Drachen des Physikers. Nelens Gerät hingegen war nur noch als winziger roter Punkt weit vorn über der Ebene auszumachen. Kalo nutzte den Hitzeschlauch über der Reaktorhaube, er zog mehrere enge Kreise und ließ sich von der Thermik bis fast an die Wolkenuntergrenze tragen. Wenn er Glück hatte, konnte er noch auf ein Aufwindfeld treffen, wie sie häufig vor tiefhängenden Wolkenwänden auftreten. Nelens Drachen war nicht zu verfehlen, der Leitstrahl und die Zuschauer wiesen Kalo sicher den Weg, den gelben des Physikers erkannte er auch aus seiner jetzigen Höhe deutlich. In den nächsten Minuten schonte er sich, und erst jetzt fühlte er, daß seine Muskeln bereits zu schmerzen begannen.
    Langsam sinkend ließ er sich über die Ebene treiben. Weit drüben lag das Meer. Der durch die Dünen abgelenkte Seewind machte sich bemerkbar und verringerte die Sinkgeschwindigkeit beträchtlich. Außerdem kühlte er angenehm. Alles ließ sich gut an. 
    Eine Stunde später führte ihn der Leitstrahl bis unmittelbar an die Küste heran. Er mußte die Schlagfrequenz fast verdoppeln, um nicht an Höhe zu verlieren.
    Nur wenige Minuten lang gönnte er sich den Anblick des Badelebens tief unter ihm, die bunten Flecke der Windschutzplanen, den hellen, fast weißen Sand und die wie hingesät liegenden braunen Körper der Sonnenhungrigen. Dann wich er vom vorgeschriebenen Kurs ab, um die Bucht in weitem Bogen zu umfliegen. Den Weg konnte er kaum verfehlen, er war noch immer hinreichend deutlich durch die Massen der Zuschauer, die ihn flankierten.
    Am jenseitigen Ufer der Bucht erkannte er den gelben Drachen des Physikers, bewegungslos im Dünenbewuchs. Das Rennen war für den anderen zu Ende. Kalo sah, wie sich braungebrannte, nackte Menschen um den Gelben scharten. Der Anblick reizte ihn zum Lachen, der Physiker würde sich in seinem dicken Overall ziemlich fehl am Platz fühlen.
    Nun lag nur noch Nelen vor ihm, aber Nelen hatte bereits einen erheblichen Vorsprung herausgearbeitet.

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