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Stern auf Nullkurs (1979)

Stern auf Nullkurs (1979)

Titel: Stern auf Nullkurs (1979) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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Vormittag erschien Torre Nelen, groß, breit und blond, von unerschütterlicher Ruhe. Er begrüßte Aikiko wie eine gute Bekannte, nein, wie eine Freundin, deren Gesellschaft man lange Zeit entbehren mußte, oder noch besser gesagt, wie eine Gefährtin, von der man lange getrennt war. In seinem Lächeln lag viel Verstehen und auch ein wenig Kummer.
    Der Lebenskreis, aus dem Aikiko Mangawa nicht ausbrechen wollte, hieß also Torre Nelen.
    Kalo konnte sich zwar im allgemeinen gut beherrschen, aber diesmal gelang es ihm nur mit Mühe, seine grenzenlose Enttäuschung zu verbergen.
    Die Begrüßung, bei der er abseits stand und sich überflüssig vorkam, schockierte ihn. Trotz und Zorn stiegen in ihm auf, weil er einsehen mußte, daß er nichts über Aikiko wußte, nichts über ihr Leben und ihre Neigungen, nichts über ihre Freunde und wenig über ihre Arbeit. 
    Später erst bezogen sie ihn in ihr Gespräch ein, und er merkte, wie peinlich es Aikiko war, daß Nelen über Zukunftspläne redete. Der Nordländer hatte sich für den Beruf eines Planetologen entschieden, und es war beeindruckend, mit welchem Feuer der sonst so kühle Nelen von seinen zukünftigen Aufgaben sprach. 
    Kalo registrierte aber auch, daß Aikiko diesen Berufswunsch nicht im mindesten ernst nahm, daß sie ihn sogar belächelte. 
    All diese Leute, die sich mit den Sternen und den Erscheinungen im Kosmos befaßten, seien Träumer, erklärte sie, sie alle jagten einem Phantom hinterher, aber es sei ja ziemlich sicher, daß sie mit steigender Vernunft, was sie mit fortschreitendem Alter gleichsetze, wieder zu irdischen Dingen zurückfänden.
    Vielleicht gab Aikikos geringschätzige Meinung den Ausschlag für Kalos Entscheidung, seine Spezialausbildung bei Extrakom aufzunehmen. Plötzlich fühlte er sich veranlaßt, ihr zu beweisen, daß es durchaus nichts mit Träumerei zu tun hatte, wenn sich jemand mit Dingen befaßte, die nicht vor morgen oder übermogen aktuell wurden.
    Damals konnte er ja noch nicht wissen, daß sie ihn vier Wochen später anrufen würde. Vielleicht hätte er sich dann anders entschieden. 
    Vier Wochen sind genug, um eine neue Stadt zu gründen, nicht länger als vier Wochen benötigte die Expedition Zeus IV, um den Planeten Jupiter zu erreichen, innerhalb von vier Wochen entstand das Kraftwerk von Longfontaine, aber achtundzwanzig Tage reichten nicht aus, um Aikiko Mangawa zu vergessen.
    Manchmal lief Kalo wie ein gefangenes Tier in seinem Appartement auf und ab, stets das Videophon in Reichweite, immer mit dem Gedanken, nur eine bestimmte Zahlenkombination wählen zu brauchen, um sie zu sehen. Nur sechs Tasten müßte er berühren, und ihr Gesicht würde auf dem Bildschirm erscheinen, ihre schräggestellten Augen mit dem ein wenig hintergründigen Lächeln, der feingezeichnete Mund, der dunkle Haarschopf. Aber er rief nicht an. Er wollte nicht erleben, daß sie bedauernd die Schultern hob, daß sie sagte: „Aber, Kalo, du weißt doch jetzt, daß Torre und ich..." Nein, das wollte er nicht. Er würde nicht anrufen.
    Aber er stürzte zum Videophon, als das Rufzeichen summte, als ihm das Symbol auf dem Schirm verriet, daß der Ruf aus der japanischen Region kam, er schlug die Taste nieder, als gelte es, eine Explosion im letzten Augenblick zu verhindern.
    Aikiko lächelte, aber in ihrem Lächeln lag etwas, was ihm das Herz schneller schlagen ließ, eine kleine Unsicherheit, eine Frage. Doch noch ehe er sich darüber im klaren war, versteckte sich die Unsicherheit hinter Unmut.
    „Ganze vier Wochen läßt du nichts von dir hören! Vielleicht hättest du mich ein Jahr warten lassen, wenn ich nicht..."
    „Aber nein!" Er protestierte laut, aber wohl kaum überzeugend. „Aber nein! Eben wollte ich dich anrufen. Wirklich..."
    Er war überzeugt, daß er es keine Stunde länger ausgehalten hätte. Er hätte sie angerufen, er war überglücklich.
    Jahrelang ging das so. Tage ungetrübten Glücks, Wochen manchmal, dann aber Aikikos Spott, sich steigernd von Tag zu Tag, die Trennung, Unruhe, Suchen und abermals ein Anruf, der sie zusammenführte, wie ein Sturm die Wellen des Meeres mit den Klippen zusammenwirft. Der Vergleich mit den Gläsern, die zum Klingen gebracht werden, stimmte nicht. Gläser wären längst zerbrochen.
     
     

Sonnensystem in Aufruhr
     
    WÄHREND DIE PASSAGIERRAKETE, die Kalo Jordan zur Gruppe Interkos und damit zu Aikiko Mangawa bringen wird, die weite Fläche Nordsibiriens überfliegt, während das Leben

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