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Stern auf Nullkurs (1979)

Stern auf Nullkurs (1979)

Titel: Stern auf Nullkurs (1979) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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der Menschheit äußerlich unbeeinflußt seinen Gang geht, nähert sich dem irdischen System ein Geschwader braunroter, pulsierender Kugeln. An keine Keplersche Bahn gebunden, queren sie die Bewegungsellipse des Pluto weitab von diesem äußersten Planeten der Sonne, umrunden den Neptun mehrmals auf einer annähernden Kreisbahn und orientieren sich schließlich auf der Ebene der Ekliptik in Richtung Mars. Wie eine explodierende Wolke zerstreuen sie sich in seiner unmittelbaren Nähe, teilen sich in Gruppen zu je drei oder vier und steuern die inneren Planeten an, Merkur und Venus, Mars und Jupiter. Die Erde scheinen sie nicht behelligen zu wollen.
    Langsam tasten sie sich an die planetaren Gashüllen heran, die Gravibaren der Planeten beginnen die Kugeln zu verformen, die schließlich unter dem Sog der Materie in weite Kreisbahnen einschwenken. 
    Auswüchse und Vorsprünge durchbrechen die Hülle, fingerartige Taster wachsen aus der Wölbung heraus, zucken und quellen. Aber all das verschwindet ebenso schnell, wie es auftauchte, und für einen unendlich kurzen Zeitraum dominiert wieder die ideale Kugelform der seltsamen Körper, dann strecken sie sich, dehnen sich in der einen Dimension und kontrahieren in den anderen, dringen schließlich als langgestreckte Pfeile in die Atmosphären ein.
    Nach knapp zweistündiger Nacht steigt über der Kimm die Dämmerung herauf. Endlich gibt es wieder einen Horizont, endlich auch wieder ein Oben und Unten. Ganz schwach gekrümmt ist die Trennlinie zwischen Himmel und Erde, fast unmerklich gewellt und stellenweise ein wenig gezackt. Sie ist dunkel, beinahe schwarz dort, wo die Küste Ostsibiriens dem neuen Tag entgegendämmert, und blauviolett darüber, wo sich mit mattem Schimmer das Erscheinen der Sonne ankündigt.
    Schließlich taucht die Sonne auf, eine rötliche Scheibe ohne Glanz und Wärme zuerst noch, aber mit ihrem Emporklimmen gewinnt sie an Kraft. Das Meer unter ihr, glatt wie ein gewaltiger Spiegel, schleudert ihr Licht in blendender Fülle wieder himmelwärts. Mit der Sonne wechselt auch das Meer seine Farbe, wird scheinbar zu gleißend flüssigem Blei, dessen Anblick die Augen blinzeln läßt. 
    Abermals taucht Land auf, dunkel, zerklüftet, mit langgestreckten Bergkämmen, die sich im Licht zu rekeln scheinen, urtümlichen Echsen gleich, schuppig und geheimnisvoll. Das ist der westliche Teil der Hauptinsel Hondo der japanischen Region. 
    Minuten später liegen die Riesenspiegel des Sonnenkraftwerkes von Takamatsu unter der Rakete, diese gewaltigen, mit den Sonnenstrahlen wandernden Halbleiterflächen, die das Licht des Zentralgestirns in elektrische Energie umsetzen, die Maschine steht über Shikoku, die Erde beginnt sich zu drehen, Bremstriebwerke heulen auf, Gravitation kriecht in den Körper zurück, wächst, Schlieren heißer Gase pfeifen an den Bullaugen vorbei himmelwärts, Vibrationen schütteln die Konturensessel, dann der Bodenkontakt, Nachfedern, Ruhe ringsum, Ausschwingen. Vor den Bullaugen stehen die Wolkenkratzer Kotschis, weit drüben, am Rande des Flugfeldes, nadelspitze Türme, wie zur Parade ausgerichtet, Bäume mit abenteuerlich gedrehten Ästen und länglichen Blättern, die matt in der Morgensonne hängen, Drachenweiden, fremd und unwirklich.
     
    Mit der Röhrenbahn erreicht man den Vorort Akutagawa in weniger Zeit als einer halben Stunde. Kalo genießt diese Fahrt, das Beschleunigen und Bremsen, die Kurven, wenn sich die Sessel auf die Komponente aus Gravitation und Fliehkraft einstellen, und das Auf und Ab der durch den Tunnel jagenden Zugschlange. 
    Benommen steigt er aus, sieht sich in der Halle der Endstation um. Grünliches Licht, das schattenlos ist und von überallher zu kommen scheint. Menschen hasten an ihm vorbei, es herrscht ein Trubel, wie er ihn noch nie kennengelernt hat, niemand scheint Zeit zu haben, und doch liegt über allem eine Stille, die ihm geradezu unheimlich dünkt. 
    Hinter rechteckigen Scheiben lauert die Tiefe des Schelfmeeres, Schwärme bräunlicher Fische ziehen unbeeindruckt vorüber, hin und wieder eine Qualle, träge pulsierend, ein Hummer, der sich mit mächtigem Schwanzschlag in die Tiefe treibt. Kalo blickt sich um, niemand beachtet ihn, und niemand staunt über diese Wunderwelt dort draußen vor den unterseeischen Fenstern der Akutagawa-Station. Es ist Hauptgeschäftszeit, jeder will irgendwohin und kommt von irgendwoher, in der japaischen Region ist immer Hauptgeschäftszeit, vierundzwanzig Stunden am

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