Stern auf Nullkurs (1979)
Staubschwaden. Daß plötzlich das Peilzeichen von Ares 1 laut und deutlich aus den Tonträgern kam, begriff er erst, als das Fahrzeug am Fuße einer meterhohen Schutthalde zum Stehen kam. „Hallo, Waran! Hallo, Waran! Alles in Ordnung bei euch?"
Das war Halder von Ares 1. Kein Wunder, daß sie sich Sorgen machten, und sie hatten ja auch allen Grund. Eine derartige Entladung hatte es auf dem Mars nicht gegeben, seit Menschen diesen Sandboden betraten, und ihre Ursache war unerklärlich.
„Hier Waran! Hier Waran! Fischer und Eube sind vor Mortula-Ort verschüttet worden. Kontakt abgerissen. Ihr müßt schnellstens den Goliath schicken. Sie haben nicht mehr als vier Stunden Zeit." Lorenzen atmete tief durch. „Wenn sie noch leben", fügte er hinzu.
Eine Weile herrschte auf Ares 1 betretenes Schweigen, dann meldete sich Halder erneut. „Sie starten in fünf Minuten. Wir drücken euch die Daumen."
Wenn der Goliath die Mortula mit Höchstgeschwindigkeit durchquerte, konnte er es in wenig mehr als drei Stunden schaffen. Knapp sechzig Minuten würden noch verbleiben, um Fischer und Eube zu finden.
„Zuwenig!" murmelte Lorenzen. Er dachte intensiv nach. Er könnte es mit dem Planierschild versuchen, könnte Schicht für Schicht der neu entstandenen Halde abtragen, aber die Chance, die beiden lebend zu bergen, bliebe gering. Mit größter Wahrscheinlichkeit hätte das tonnenschwere Fahrzeug sie zerquetscht, ehe die Kontaktgeräte ansprachen. Gab es keine andere Möglichkeit?
Er könnte quer zur Halde fahren, immer nur das jeweils unterste Stück abtragen. Natürlich barg auch das Gefahren: Fischer und Eube konnten inmitten nachrutschender Massen verletzt werden, aber sie hatten eine Chance, wenn es ihnen gelungen war, die Anzüge aufzublasen, bevor die Lawine sie erreichte.
Lorenzen stieß zurück, für einen Augenblick fiel die Sicht aus, Sandmassen hatten sich auf dem Rücken des Fahrzeuges abgelagert, rutschten beim Anfahren nach vorn und deckten die Objektive zu. Schließlich vermochte er wieder zu sehen, langsam klarte auch der Himmel auf. In einer halben Stunde hatte Lorenzen den Hang erreicht. Er schwenkte den Kontaktkopf nach rechts; natürlich blieben die Signallampen auch jetzt noch dunkel, aber er schöpfte ein wenig Hoffnung, als das Planierschild sich erstmalig in die Flanke der Halde grub.
Zweihundert Meter fuhr er mit mahlenden Reifen und heulenden Turbinen vorwärts, dann wendete er, schwenkte den Kontaktkopf nach links und griff die Halde erneut an.
Nach mehr als einer Stunde hatte er höchstens vierzig Meter der Halde abgetragen, die Sandmassen rutschten jetzt häufiger nach, und noch immer blieben die Signallampen tot. Seine Hoffnung begann merklich zu schwinden.
Trotzdem zwang er sich, die Arbeit fortzusetzen. An der Flanke der Halde entlang, wenden, Kontaktknopf schwenken, abermals an der Halde entlang, abermals wenden, abermals schwenken...
Und dann trat er doch abrupt auf die Bremse. Über den Hang kroch etwas, was er noch nie gesehen hatte, weder auf dem Mars noch sonstwo. Es war ein Wesen, das es nach menschlicher Erfahrung überhaupt nicht gab. Eine Halluzination also, Spiel seiner überreizten Nerven oder Täuschung seiner angestrengten Augen?
Bestimmt nicht, denn das Ding wuchs langsam und gleichmäßig heran, zuerst ein gelbgrauer Wurm, der über den Sand kroch, dann eine Art Raupe mit mehr als einem Dutzend kurzer Stummelbeine und schließlich eine gestreckte Walze, vorn und hinten abgerundet, den massigen Leib zu einzelnen Segmenten abgeschnürt, ein Tier, ein unbekanntes Tier auf dem Mars. Es war unglaublich, er hätte es nie für möglich gehalten, es widersprach völlig dem Evolutionsstand der Fauna auf dem Mars, es konnte sich nicht um ein Tier handeln.
Er setzte die Maschine mehrere hundert Meter zurück, vielleicht ahnte er Zusammenhänge, vielleicht wollte er sich nicht mit dem Ding anlegen; es übertraf den Waran um ein mehrfaches an Größe und wahrscheinlich auch an Kraft.
Die Walze strebte zielsicher der Halde zu. Obwohl ihre kurzen Beine in schneller Folge auf den Boden trommelten, wurde nicht die Spur von Staub aufgewirbelt, die Bewegungen waren gleitend und doch rasch.
Das Weitere lief innerhalb weniger Sekunden unmittelbar vor Lorenzen ab, er sah es mit der gleichen atemlosen Spannung, mit der er als Kind Filmaufnahmen von der Oberfläche Jupiters verfolgt hatte.
Unmittelbar vor der Halde blieb das Ding stehen, wandte den Kopf oder, besser gesagt,
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