Stern auf Nullkurs (1979)
möchte protestieren und nicht nur das, einen Augenblick lang ist er versucht, aufzufahren und diesen unerschütterlich an die ein für allemal eingerichtete Welt glaubenden Mann daran zu erinnern, daß es zu jeder Zeit Leute gab, die überzeugt waren, alles sei, so wie es ist, richtig und jede Veränderung verbinde sich mit Aufregung und momentanem Verlust an Lebensinhalt und daß immer diejenigen, die an den bestehenden Dingen rüttelten, die Entwicklung vorantrieben. Nur, hat es Sinn, sich jetzt und hier zu ereifern?
Er sieht immerhin, daß die Ausführungen des Soziologen nicht nur Zustimmung finden, und das beruhigt ihn schon ein wenig. Er weiß, daß es auch hier Leute gibt, die Borgs Meinung nicht teilen.
„Unruhe ist nichts Verwerfliches", sagt er sachlich.
Borg zögert, ehe er sich zu einer abschließenden Bemerkung herbeiläßt. „Einmal Errungenes zu verteidigen ist jedermanns gutes Recht." Er lächelt.
Es ist nicht leicht, Gelassenheit zu bewahren, zumal Kregg nicht den geringsten Versuch unternimmt, seine Ansichten kundzutun. „Ist das auch deine Meinung, Kregg? Waren wir uns nicht einig...?"
„Natürlich nicht", sagt Kregg leise, und dann fährt er plötzlich auf: „Selbstverständlich waren wir uns einig. Und wir sind es auch noch! Verdammt noch mal! Aber das bedeutet doch nicht, daß man über ein Thema nicht diskutieren, sondern nur reden darf. Meinst du, andere machen sich nicht die gleichen Sorgen wie du? Wundert es dich denn, wenn die Menschen nicht wie eine einzige Masse von Euphorikern den Stern Astrat begrüßen, ohne auch nur im entferntesten an die Nachteile zu denken, die ihnen seine Eingliederung bescheren könnte?
Kregg setzt sich schwer hinter seinen Schreibtisch, der Ausbruch hat ihn offensichtlich erschöpft. „Entschuldigt!" murmelt er schließlich. „Ich habe mich gehenlassen."
Das ist eine für Kregg durchaus ungewöhnliche Reaktion. Sie deutet darauf hin, daß er nicht mehr über den Dingen steht und ihn die Ereignisse zu überfordern beginnen. Dies ist keine Sache, die man durch Berechnungen oder vergleichende Analysen entscheiden könnte, zumindest zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Aber Kregg überwindet seine Schwäche überraschend schnell. „Laßt uns die bekannten Probleme wenigstens zusammentragen", fordert er. „An die Bildung einer einheitlichen Meinung mag ich ohnehin nicht mehr denken. Vielleicht versuchen wir das später noch einmal."
Kalo äußert sich nicht. Er fürchtet, man könne die Probleme zerreden, sich in langwierigen Erörterungen erschöpfen, und er weiß, daß die Zeit drängt, daß die Astraten dabei sind, aufzugeben.
Aber er hört aufmerksam zu. Eine Biologin, die ihn in ihrer Art zu argumentieren ein wenig an Pela Storm erinnert, versucht zu beweisen, daß die Ansiedlung Astrats im heimischen System mit Sicherheit zu einer Labilisierung des biologischen Gleichgewichtes führen werde. Immer wieder habe es sich erwiesen, daß Eingriffe in klimatische Bedingungen zu unabsehbaren Folgen führen müssen, und eine Klimaveränderung sei ja wohl das mindeste, womit man zu rechnen habe. Auch Kreggs Einwurf, die Produktion der Lebensmittel sei durchaus nicht mehr klimaabhängig, läßt sie nicht gelten. Der Mensch sei den derzeitigen Klimabedingungen angepaßt und nicht denen, die sich nach einer Eingliederung Astrats zwangsläufig einstellen würden.
Da ist ein Logiker, der mit leiser Stimme zwingend nachweisen will, daß sich alle Wertvorstellungen verändern würden, daß die Menschen plötzlich nicht mehr von der Richtigkeit der Art ihres Zusammenlebens überzeugt sein würden, daß ihre Ansichten über den Sinn des Lebens und über den Tod des Individuums nicht mehr gelten würden. Zumindest Ratlosigkeit sei dann die Folge, erklärt er.
Da sind aber auch Befürworter der Eingliederung. Es sind nicht wenige, und ihre Argumente klingen nicht schlechter als die der Gegner.
Davon, daß der Mensch bisher alle Klippen seiner Entwicklung überwunden habe und folgerichtig auch diese zu überwinden in der Lage sei, davon, daß die fremde Kultur und die nichtmenschliche Technik durchaus als Anregung aufgefaßt werden könnten, daß man mit einer Synthese rechnen dürfe, die beiden Seiten Impulse zu verleihen imstande sei, sprechen sie.
Noch halten sich Gegner und Befürworter zahlenmäßig die Waage. Aber die Argumente der Gegner sind stärker, fester untermauert, sie können auf Gefahren und Bedrohungen verweisen, auf reale
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