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Stern der Göttin

Stern der Göttin

Titel: Stern der Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Melli
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hatte, war so bizarr, dass sie aufhören musste, sich zu wundern. Daher richtete sie ihre Aufmerksamkeit nun auf den Strom, der von einer großen Anzahl unterschiedlichster Schiffe befahren wurde. Ihr Boot zählte zu den kleinsten und tanzte auf jeder Welle. Die meisten anderen Schiffe waren breite, schwerfällige Kästen, die unter dem Zug von Segeln flussaufwärts krochen, während andere recht schnell mit der Strömung südwärts trieben. Etliche Schiffe wurden jedoch von Ochsen- oder Pferdegespannen, die einen Uferweg benutzten, nach Norden gezogen.
    Es gab so viel zu sehen, dass Laisa die Zeit vergaß. Erst als der Schiffer zwei Laternen anzündete und eine davon am Heck und eine weitere oben am Mast befestigte, bemerkte sie, dass der Tag sich dem Ende zuneigte.
    »Morgen früh werden wir den Hafen erreichen. So lange sollten wir wachsam sein und die Waffen bereithalten. Von drüben kommen immer wieder Piraten herüber und überfallen einzeln fahrende Schiffe.«
    Der Schiffer bedauerte bei diesen Worten, dass er Fahrgäste von der anderen Seite transportieren musste, denn ihretwegen durfte er sich weder einem Konvoi anschließen noch über Nacht am tenelianischen Ufer anlegen. Das Gold, das ihm für diese Fahrt versprochen worden war, hatte ihn die Gefahr zunächst vergessen lassen. Nun aber sah er sie doppelt und dreifach vor sich und stimmte einen Hymnus zu Ehren Meandirs an, auf das der weiße Gott ihm gnädig gesinnt wäre und ihn unversehrt wieder nach Hause zurückkehren lassen möge.
    Die aufkommende Dunkelheit mochte die Augen der Menschen trüben, Laisa aber setzte sich an den Bug des Schiffes und sah den magischen Farbspielen zu, die das Wasser des Stromes mit sich führte. Bis jetzt hatte sie die Farben der roten Seite nur an Ysobel und Rongi erlebt, doch als sie nun gen Osten blickte, nahm sie große Wasserflächen in Schwarz, Blau und Violett wahr, die sich träge nach Süden wälzten. Auf dieser Seite herrschten vor allem Weiß und Grün vor, das der Bärenfluss hierhergetragen hatte, doch entdeckte Laisa auch Strömungen, die von Norden kamen und ein intensives Gelb mit sich brachten.
    »Aufgeregt?« Borlon war an ihre Seite getreten. Noch war er offiziell ein freier Mann, doch in Laisas Gepäck lag der Sklavenring, den er bald anlegen musste.
    »Ich bin nicht aufgeregter als du«, antwortete Laisa.
    »Dann bist du es aber gewaltig.« Borlon grinste und ließ dabei seine Zähne im Licht des aufsteigenden Weißmondes blitzen. »Weißt du, es ist das erste Mal, dass ich den Großen Strom überqueren werde. Das kann einem schon die Knochen weich machen. Ich frage mich, was uns da drüben an gesammelter Bosheit erwarten wird.«
    »Wir werden sehen«, antwortete Laisa knapp, denn sie hatte genug von Gesprächen dieser Art.
    Während Ysobel alles in herrlichsten Farben ausmalte und es so darstellte, als würden drüben eher Heilige als Menschen leben, sah Borlon ihre Zukunft im düstersten Licht. Er hielt die Leute von der roten Seite für Menschenfresser, die selbst die eigene Brut nicht verschonten. Laisa aber wollte sich ihre eigene Meinung bilden. Die Länder im Westen, die sie bereits kennengelernt hatte, hatten auch nicht dem Bild entsprochen, das Borlon ihr schwärmerisch und Ysobel voller Abscheu ausgemalt hatten.
    »Ich habe Angst!« Borlon schüttelte sich bei diesem Bekenntnis und schämte sich gleichzeitig dafür. Schließlich ging Laisa ein vielfach höheres Risiko ein als er.
    Ihn würde man nur von einem angeblichen zum echten Sklaven machen, doch wenn die Magier des Ostens Laisas Tarnung durchschauten, würde ihr der Tod noch als Gnade erscheinen. Um nicht ganz im Elend zu versinken, erinnerte er sich daran, dass Rongi und Ysobel ja auch auf seiner Seite gewesen waren und es überstanden hatten. Allerdings lebten hier im Westen auch zivilisierte Leute, während drüben …
    »Du kannst immer noch zurückbleiben!« Laisas Vorschlag unterbrach Borlons Gedankengänge.
    Für Augenblicke erschien ihm das Angebot verlockend, dann aber schüttelte er den Kopf. »Ich könnte danach nicht mehr in einen Spiegel schauen, ohne das Gesicht eines Feiglings vor mir zu sehen. Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen, und ich will das meine zu ihrem Gelingen beitragen.«
    Borlon näherte seinen Mund Laisas Ohr, bevor er weitersprach. »Rongi ist ein braver Kerl und hängt an dir, aber ich traue Ysobel nicht über den Weg. Sie ist trotz allem eine Frau des Ostens, und es könnte ihr einfallen, uns an diesen

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