Stern der Göttin
Tharon zu verraten.«
»Wenn du so denkst, dann solltest du wirklich zurückbleiben!«, antwortete Laisa mit gebleckten Zähnen.
Wie es aussah, schwand die Kameradschaft in ihrer Gruppe, die sich in Tanfun und Gamindhon bewährt hatte, mit jeder Meile, die sie nach Osten fuhren. Dabei war sie auf ihrem weiteren Weg auf die uneingeschränkte Loyalität ihrer Freunde angewiesen.
Borlon merkte ihre Verstimmung und versuchte einzulenken. »Eigentlich kann ich es mir auch nicht vorstellen, aber es könnte Gelegenheiten geben, bei denen Ysobel sich zwischen ihrer Freundschaft zu dir und ihrer Treue zu ihrer Seite entscheiden muss.«
Laisa gab darauf keine Antwort, sondern blickte nach Osten. Dort lagen jene Länder, in denen sich ihr Schicksal und das ihrer Freunde entscheiden würde. Die Frage, ob es vielleicht besser wäre, allein dorthin zu reisen, verneinte sie gleich wieder, denn sie wusste viel zu wenig über die Gebiete, die sie durchqueren mussten. Ysobel aber hatte trotz ihrer Jugend bereits viele Länder auf der östlichen Seite gesehen und war mit den dortigen Sitten vertraut. Daher war die violette Frau bei dieser Aktion wertvoller als Borlon, obwohl sie dessen Bärenkräfte schätzte. In erster Linie aber würde sie sich nur auf eine einzige Person verlassen, nämlich auf sich selbst.
☀ ☀ ☀
Trotz aller Bedenken des Schiffers begegneten sie in dieser Nacht weder einem Piratenschiff der anderen Seite noch irgendwelchen Geistern, die es auf dem Toisserech geben sollte und die ihren Schabernack mit jenen trieben, die in der Nacht den Strom befuhren. Laisa hatte sich zuletzt zu ihren Pferden gesetzt, die unter einem Beruhigungszauber friedlich in der Mitte des Bootes lagen und schliefen, und war dort an ihre Stute geschmiegt eingenickt, während Rongi Wache hielt und sie beim ersten Anzeichen einer Gefahr warnen würde.
Schließlich war es ihr knurrender Magen, der Laisa weckte. Die Kost, die der Schiffer seinen Fahrgästen servierte, bestand aus einem schwach gewürzten Getreidebrei mit ein wenig Trockenfisch und schmeckte ihr nicht besonders. An diesem Morgen hatte er sogar darauf verzichtet, von einem seiner Leute das Frühstück zubereiten zu lassen. Stattdessen zeigte er flussabwärts auf eine kleine Landspitze, die in den Strom hineinragte. Auf einem Hügel über dem flachen Strand erhob sich ein schlichtes längliches Gebäude aus gelblichen Ziegelsteinen, das mit gelben Schieferplatten gedeckt war. »Das ist die Fährstation auf dieser Seite.«
Laisa interessierte sich weniger für das Gebäude als für den mehr als doppelt mannshohen Palisadenwall, der die kleine Landzunge vollständig vom Hinterland abschnitt. Ein Tor, das von zwei wuchtigen Wachttürmen flankiert wurde, bildete den einzigen Zugang von der Fährstation in das Reich Tenelian, und es wurde, wie auf Anhieb zu erkennen war, scharf bewacht.
Der Schiffer hatte Laisas Blick bemerkt. »Die Tenelianer wollen mit der Fähre nichts zu tun haben, müssen sie aber wegen der alten Verträge dulden. Daher haben sie den Hafen vollständig abgeschlossen und lassen nur jene Leute in ihr Land, die ihnen zusagen.«
»Ist das drüben auch so?«, fragte Laisa.
Sie erntete Achselzucken. »Das weiß ich nicht, denn dort war ich noch nie und werde mit Meandirs Hilfe hoffentlich auch niemals hinüber müssen.«
Der Schiffer machte noch ein Abwehrzeichen gegen bösen Zauber, dann eilte er nach hinten und übernahm wieder das Steuer.
Die Landzunge kam rasch näher, und Laisa konnte bereits etliche Schiffe an den Anlegestegen sehen. Als sie einen der Männer an Bord fragte, ob diese alle zum anderen Ufer fahren würden, schüttelte dieser entsetzt den Kopf.
»Um Meandirs willen, nein! Das sind brave Menschen aus Goisan, die die Fährstation als Übernachtungshafen benutzen. Mit denen da drüben haben sie nichts zu tun.«
Laisa begriff, dass sie von den Schiffern nicht mehr erfahren konnte, als sie bereits wusste, und richtete ihr Augenmerk wieder auf den Hafen. Kräftige Gestalten in grauen Kitteln und Jacken bestiegen plumpe, flache Schiffe und lösten die Leinen. Da Tenelian die Landspitze vollständig vom Umland abgetrennt hatte, mussten die Schiffer ihre Prähme und Schuten ein Stück das Ufer hochstaken oder sich ihrer Segel bedienen, bis sie wieder auf den Treidelpfad stießen. Die Tatsache, dass sie trotz dieser Mühen hier übernachteten und nicht bei den Treidelstationen des umgebenden Landes, wies deutlich auf die mangelnde
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