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Stern der Göttin

Stern der Göttin

Titel: Stern der Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Melli
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erst vor kurzem den letzten Stromhafen des Landes Maraand an sich gerissen, und genau diese Stadt war das Ziel der Fähre.
    Das Schiff hatte mehr als drei Viertel der Strecke bereits bewältigt, als von Norden ein Schiff unter vollen Segeln auf sie zukam. Oben am Mast flatterte ein Wimpel, der Laisa fatal an die Zeichen erinnerte, die Tavuks Siegel geschmückt hatten. Mit gefletschten Zähnen nahm sie ihren Bogen und legte einen Pfeil auf die Sehne. Da bemerkte sie plötzlich Yondal neben sich.
    »Bitte nicht! Der Kerl will uns nur beweisen, wie schneidig er ist. Kein Flussmaulkapitän wird es wagen, die Fähre anzugreifen.«
    »Wenn er es doch versucht, war es die letzte Tat in seinem Leben!« Laisas Drohung wirkte ernst genug, um den weißen Kapitän zum Handeln zu bewegen. Auf seinen Befehl zog einer der Männer einen blutroten Wimpel auf, der knallend im Wind flatterte.
    »Was ist das für ein Zeichen?«, fragte Laisa.
    »Rot ist das gemeinsame Symbol des Ostens, so wie Gold das des Westens ist.« Für Yondal waren es nur zwei Farben, die eine gewisse Bedeutung besaßen, doch Laisa musste wieder an jene Frau mit den goldenen Augen denken, die sie aus ihrer beschaulichen Heimat in diese wilde Gegend versetzt hatte, und an die goldene Göttin Irisea, in deren Auftrag sie unterwegs war. Gab es vielleicht auch einen roten Gott?, fragte sie sich und nahm sich vor, eines Tages auch dieses Rätsel zu lösen.
    Unterdessen hatten die Flussmäuler begriffen, dass eine weitere Annäherung nicht erwünscht war, und steuerten ihr Schiff im Bogen um die Fähre herum. Sie kamen dabei nahe genug, um einen Gruß herüberzurufen, dann fuhren sie weiter flussabwärts und verschwanden aus Laisas Blickfeld, während ihr eigenes Schiff in die langgestreckte Bucht einfuhr, an der Maraandlion lag. Ihr eigentliches Ziel war jedoch nicht die Stadt, sondern die ein Stück außerhalb gelegene Lotsenstation, die auf dieser Seite aus mehreren Gebäuden bestand.
    Ganz in der Nähe dieser Häuser entdeckte Laisa mehrere Gärten und kleine Felder, in denen Leute in grauen Kitteln und Strohhüten arbeiten. Die magische Farbe der meisten war Weiß, doch schienen ihnen einige Blaue zu helfen.
    »Wer sind die?«, fragte Laisa Yondal.
    »Das ist meine Familie.«
    Laisa wunderte sich. »Ihr lebt auf dieser Seite?«
    »Wir Fährleute gehören zusammen, egal ob wir nun zu Meandir oder Ilyna beten. Drüben auf der anderen Seite können wir nicht bleiben, da die Tenelianer niemals die Ansiedlung von Rekk und seinen Verwandten dulden würden. Also leben wir hier, auch wenn es nach den beiden letzten Kriegen schwerer für uns geworden ist. Aber andere hausen noch viel schlechter. Den Flüchtlingen aus dem Süden bleibt oft nicht mehr, als sich mit ihren gesamten Familien als Treidelknechte zu verdingen und die Stromschiffe flussaufwärts zu ziehen.«
    Laisa sah ihn irritiert an. »Ich dachte, diese Leute wären alle Piraten geworden.«
    Nun mischte sich auch Rekk in das Gespräch ein. »Ein Teil von ihnen wohl, aber nicht alle. Es heißt zwar bei uns, die Thilier hätten bei ihrem Angriff die guten Leute erschlagen und das Gesindel verjagt, aber viele dieser Menschen versuchen doch, ihr Brot auf ehrliche Weise zu verdienen. Es ist eine verdammt harte Zeit, Dame Laisa, für alle hier am Strom. Wir Fährleute erhalten nur einen Bruchteil dessen, was uns einst zugedacht wurde, und leben mehr von dem, was unsere Frauen in ihren Gärten ziehen, als vom Fährlohn. Für die Handelsschiffer ist der Weg vom Süden voller Gefahren, denn von Lanar am warmen Meer bis nach Maraand gibt es keinen Hafen, den sie mit ihren Schiffen bei Sturm oder Unglück anlaufen können. Das ganze Küstenland stromabwärts ist nun in der Hand der Thilier und ihrer Verbündeten, und diese geben kein Pardon, wenn einer der hiesigen Schiffer in ihre Hände gerät.«
    Rekk spie angewidert ins Wasser und ließ die Fähre mit einem leichten Schlag seines Ruders herumschwenken, so dass sie genau auf den Steg zuglitt und sanft anlegte. Laisa stieg auf die Bordwand, zögerte einen Augenblick und sprang dann hinaus. Mit wenigen Schritten erreichte sie den festen Boden und stand nun zum ersten Mal auf der roten Seite des Stromes.
    Hinter ihr sprach Ysobel die Worte, die die Pferde dazu brachten, ihr zu gehorchen. Sie streichelte dabei Laisas Stute, aber auch ihr eigenes Ross und führte sie an Land. Dort suchten sich die Tiere als Erstes einen Fleck mit frischem Gras und begannen, die Halme zu

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