Stern der Leidenschaft
Eltern. Er war wirklich ein hervorragender Schauspieler. Jemand, der ihn weniger gut kannte als Brittany, hätte die winzigen Gesten und die beinahe unmerklichen Veränderungen seines Gesichtsausdrucks vielleicht übersehen.
Doch sobald er sich außer Hörweite befand, zischte Brittany, an Martha gerichtet: »Habt ihr für diese Rolle denn keine Frau gefunden, die vom Alter her wirklich seine Mutter sein könnte? Ihr erwartet doch nicht etwa, dass ich euch abnehme, dass die Dame dort Daldens Mutter ist. Sie ist ja kaum älter als ich. Der Mann übrigens auch nicht.«
Leises Gelächter kam ihr entgegen. »Im Vergleich zu durchschnittlichen Humanoiden sieht man Tedra ihr Alter wirklich kaum an. Und auch die Sha-Ka’ani altern dank ihrer gesunden Umwelt nur langsam. Bei Tedra kommt noch ihre Ausbildung als Sicherheitsbeauftragte der Stufe eins begünstigend hinzu. Sie unterzieht sich weiterhin fast täglich den furchtbar strapaziösen Übungen, die ihren Körper zu einer tödlichen Waffe stählen – zumindest nach den Maßstäben anderer Welten. Aber sie ist inzwischen vierundvierzig. Ich muss es ja wissen, denn sie gehört mir.« »Ich dachte immer, es sei genau umgekehrt – du gehörst ihr.«
»Das ist Ansichtssache«, brummte Martha. Brittany glaubte keine Sekunde lang, dass die beiden Menschen, die in einiger Entfernung vor ihr standen, wirklich Daldens Eltern waren. Aber warum war sie dann so nervös? Wahrscheinlich weil nun die zweite Phase des Versuches begonnen hatte, sie um jeden Preis zu überzeugen. Auf dem Raumschiff war ihnen das nicht gelungen. Nun setzte man also neue, unverbrauchte Schauspieler und einen ganzen simulierten Planeten ein. Eigentlich sollte sie erleichtert sein. Ihre größte Angst, nämlich dass sie sich am selben Abend, an dem sie das Schiff verließ, allein zu Hause in ihrem Bett wiederfinden würde, schien sich nicht zu bewahrheiten. Anscheinend hatte man noch so manches mit ihr vor.
»Dein Auftritt!«, raunte Martha, als die Gruppe sich Brittany erwartungsvoll zuwandte. Die Schauspieler, die Daldens Eltern darstellten, machten nun sogar ein paar Schritte auf sie zu. Martha hatte ihre Worte als Scherz gemeint, doch genau wie bei einem Auftritt kam Brittany sich jetzt vor.
Sie befand sich offensichtlich mitten in einem Theaterstück mit einer ganz großartigen Besetzung. Wenn nötig wurde improvisiert.
»Willkommen auf Sha-Ka’an, Brittany Callaghan! Und willkommen in meiner Familie!« Großer Gott, das klang wirklich wunderbar! Ihre eigene Familie fiel immer mehr auseinander. Nur allzu selten kamen sie noch alle zusammen. Sie hielten zwar Kontakt, doch Brittany sehnte sich oft nach der Vertrautheit jener Tage, als sie und ihre Brüder noch mit ihren Eltern auf der Farm gelebt hatten. Während der Reise hatte man ihr erzählt, dass die Familien der Sha-Ka’ani im Allgemeinen sehr beständig waren. Wenn die Kinder erwachsen wurden, blieben sie in der Stadt, in der ihre Angehörigen lebten, ja sie verließen oft nicht einmal das Elternhaus.
Einige Frauen zogen zu ihren Lebensgefährten in einen anderen Ort oder gar in ein anderes Land. Doch das waren seltene Ausnahmen. Normalerweise wählten die Krieger eine Gefährtin unter den Frauen aus ihrer näheren Umgebung.
Gleich im Anschluss an Marthas Willkommensgruß fühlte Brittany sich umarmt und eine Stimme flüsterte ihr ins Ohr: »Du brauchst nicht nervös sein, Kindchen. Kein Mensch hier hat etwas an dir auszusetzen. Wenn ein Krieger einmal seine Wahl getroffen hat, ist sie unumstößlich. Man wünscht ihm einfach Glück. Manche brauchen furchtbar lange, um sich endgültig zu entscheiden. Andere merken es sofort, wenn die Richtige vor ihnen steht. Aber eins ist sicher: Sie täuschen sich nie. Schade, dass wir Frauen kaum je diesen hohen Grad an Sicherheit erreichen.« Sollte das ein Witz sein? Tedra grinste jedenfalls, als sie zurücktrat. Was sie gerade gesagt hatte, war das genaue Gegenteil von dem, wie Brittany die Dinge sah. Frauen spürten schnell und zuverlässig, wenn sie sich verliebten. Meistens brauchte das Objekt ihrer Liebe viel länger, um sich über seine Gefühle klar zu werden. Es mochte einige wenige Ausnahmen geben, doch für gewöhnlich waren Frauen den Männern bei solchen Entscheidungen um Längen voraus. Als sie Tedra nun aus der Nähe sah, glaubte Brittany noch viel weniger, dass diese Frau vierundvierzig Jahre sein sollte. Die Behauptung, man sehe Tedra ihr Alter kaum an, war die Untertreibung des
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