Stern der Leidenschaft
über die Gesetze dieses Landes?«
»Nein. Ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass all die vielen Informationen, die ich dir gebe, zu nichts führen oder dich sogar noch mehr verwirren. Du brauchst jetzt vor allem erst einmal Zeit, um die vielen neuen Eindrücke zu verdauen. Die wichtigsten Regeln sind dir ja inzwischen bekannt. Du wirst keine Hosen mehr tragen. Frauen in Hosen sind Kriegern ein Dorn im Auge. Wenn du das Schloss verlässt, dann stets in Begleitung und niemals ohne einen Umhang in den Farben des Hauses. Auf diese Weise kann jeder sehen, dass du unter dem Schutz eines Mannes stehst. Zeige dich Kriegern gegenüber respektvoll und gehorche deinem Gefährten. Siehst du? Es ist alles ganz einfach.«
»Pah, das nennst du Gesetze?«
»Nun ja, ich eigentlich nicht«, gab Martha zu. »Aber sie nennen das so. ›Regeln‹ wäre vielleicht das bessere Wort dafür. Gesetze, wie du sie kennst, gibt es hier nicht, denn die schwer wiegenden Verbrechen, die dadurch verhindert oder bestraft werden sollen, sind hier unbekannt. Diebstahl wird ohnehin als eine Art Sport betrachtet, als ständiges Geben und Nehmen. Wenn einem etwas gestohlen wird, holt oder kauft man es sich zurück. Oder man freut sich, dass man es endlich los ist.«
»Das heißt, der Dieb geht gar nicht davon aus, das Gestohlene behalten zu können? Wozu dann die Mühe?« »Wie gesagt, es ist ein Sport. Ein spannender Zeitvertreib. Schreckliche Dinge, wie beispielsweise Mord, gibt es hier nicht. Das lassen die ethischen Grundsätze der Kriegergesellschaft nicht zu. Es ist zwar möglich, bei einer der Prüfungen zu Tode zu kommen, aber das geschieht selten. Man demütigt den Verlierer lieber mit Strafen, die oft in ausgesucht unbeliebten Arbeiten bestehen. Gibt es einen Zwist, so bitten die gegnerischen Parteien den Shodan um Hilfe. Seine Aufgabe ist es, den Streit zu schlichten. Aber wir kommen vom Thema ab.«
»Unfassbar, dass dir das passieren sollte!« »Haben wir heute unseren ironischen Tag?«
»Ich hatte drei Monate lang eine hervorragende Lehrmeisterin.«
»Besäße ich ein Ego, so würde mir das vielleicht schmeicheln. Aber trotzdem – danke für das Kompliment. Doch nun zurück zu unserem Thema: Wir sprachen von Frauen. Ein Mann trägt die alleinige Verantwortung für jedes weibliche Wesen, das unter seinem Schutz steht. Dieser Mann ist im Allgemeinen der Vater, der Lebensgefährte oder auch der Shodan des Ortes. Auf eine Frau ohne Beschützer kann jeder Krieger, dem sie gefällt, jederzeit einen Anspruch anmelden. Die meisten Frauen finden diesen Zustand wenig erstrebenswert. Sie ziehen es vor, sich beschützen zu lassen.«
Brittany glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen. »Wie halten die Frauen das aus? Und warum hat man mir bisher nie etwas davon gesagt?«
Als Martha nun weitersprach, hörte es sich so an, als zucke sie die Schultern. »Das war nicht notwendig, weil es dich nicht betrifft. Jedenfalls nicht, solange du dich an die einfachen Regeln hältst, die ich eben aufgezählt habe. Eine Frau ohne Schutz ist beinahe so etwas wie eine Sklavin. Man darf sie zwar nicht verkaufen oder misshandeln, doch sie hat nicht viele Rechte. Deshalb entscheiden die meisten Frauen sich für die Freiheit.«
»Freiheit nennst du das? Wenn man auf Schritt und Tritt wie ein kleines Kind von einem Mann bewacht wird?«
»Das scheint dich zu schockieren.« »Da hast du verdammt Recht. Es schockiert mich. Wie soll ich mich je an diese Zustände gewöhnen? Ich bin ein Mensch, der seit vielen Jahren eigene Entscheidungen trifft und auch die Verantwortung dafür übernimmt.«
»Das war Tedra früher ebenfalls. Und sie hat sich hervorragend angepasst. Genau das wird dir auch gelingen. Du musst nur ein paar Dinge in deinem Kopf neu sortieren und dir die Vorteile klar machen, die das Leben einer beschützten Frau bietet. Aber sagte ich nicht, ich wollte dir keine weiteren Informationen mehr geben? Vielleicht solltest du dich mit deinen Fragen in Zukunft an Dalden wenden. Die Antworten, die er dir gibt, könnten dazu beitragen, dass du ihn besser verstehst. Also mach’s gut, mein Zuckerpüppchen.«
»Warte! Martha?« Brittany erhielt keine Antwort. Nur die Fembair war noch da und sah sie mit ihren großen, blauen Augen an. »Raus mit dir, Katzenvieh! Husch! Verschwinde!« Shank blieb unbeweglich liegen. Nach einer Weile spitzte er jedoch ohne ersichtlichen Grund die Ohren. Brittany lauschte, hörte aber nichts. Doch die Raubkatze sprang auf, suchte etwas
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