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Stern ohne Himmel

Stern ohne Himmel

Titel: Stern ohne Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Ossowski
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ehemaligen Freunde war ihm nicht entgangen. Alles deutete darauf hin, dass mit ihrem Juden etwas schief gegangen war. Er wusste, was er zu sagen hatte, wenn er gefragt würde.
    Jähdes Stiefel knarrten auf den Dielen. Er ließ die Jungen warten.
    »Zick!«, rief er laut und der Name sprang im Echo von Wand zu Wand bis vor zum Altar.
    Zick trat einen Schritt vor. Sein Blick war auf das große Kreuz gerichtet, das in der Kuppel des Mittelschiffes über dem Hauptaltar schwebte.
    »Warst du heute auf dem Einwohnermeldeamt?«, donnerte Jähdes Stimme.
    »Ja«, flüsterte Zick. Es klang überdeutlich durch das leere Kirchenschiff.
    »Hast du den Ortsgruppenleiter nach einem gewissen Arthur Dressler gefragt?«
    »Ja.«
    Zick hörte, wie Jähde hinter ihm stehen blieb. Er musste ganz dicht sein. Zick hob die Schultern, während seine Hände im Stoff der Hose Halt suchten.
    »Und warum hast du wissen wollen, wo Dressler ist?«
    Zick kniff die Augen zusammen, zog den Kopf noch weiter ein, gab aber keine Antwort.
    »Wer hat dich dorthin geschickt?«
    Zick wusste, was kam. Bevor die erste Ohrfeige niedersauste, drehte er sich um. Jähdes Hand landete auf der hölzernen Galerie. Die zweite und dritte Ohrfeige trafen ihn mit doppelter Wucht.
    »Halt!«, schrien Paule und Antek.
    Nur Willi stand still. Der Name Dressler bedeutete ein neues Glied in der Kette um Abiram. Er schwieg, und er wollte auch weiterhin schweigen, bis er alle Beweise in der Hand hatte.
    Nagold saß mit vorgebeugtem Oberkörper auf dem Orgeldeckel, das Gesicht in den Händen vergraben. Er hatte nur den einen Wunsch, dass dieses Theater so schnell wie möglich beendet würde.
    Jähde holte sich Paule. »Muss man euch denn immer erst die Wahrheit herausprügeln?«
    Er sah zu Zick, der an der Galerie hing und sein verheultes Gesicht abwischte.
    »Red du für ihn«, sagte Jähde.
    Jetzt war es Paule, der an der Galerie stand und auf den Christus starrte.
    »Wir vier waren gestern während der Chorprobe in einer Ruine, drüben im neuen Viertel«, begann Paule. »Dort ist eine Speisekammer, die wir durch Zufall entdeckten.«
    »Speisekammer?«, fragte Jähde.
    »Ja. Wir gingen dorthin, wenn wir Freizeit hatten. – Um uns satt zu essen.«
    Nagold ließ die Hände vom Gesicht fallen und begann zu lachen. Jähde suchte Spione, schlug Zick in der Kirche, träumte von Verhaftungen, und was fand er? – Würste und Marmelade. »Glauben Sie nicht, dass es besser ist, wenn Sie diese Fragen an einem andern Platz erörtern?«
    »Warten Sie, bis ich Sie frage«, sagte Jähde grob. »Also, was war mit dem Keller?«
    Paules Hände umklammerten das Geländer. »Dort haben wir gestern gegessen.«
    »Und was hat der Keller mit Dressler zu tun?«
    »Sehr viel«, sagte Antek.
    Paule, das halbe Geständnis auf den Lippen, trat zurück. Mochte Antek es sagen. Zick biss auf die Knöchel seiner Faust. Er bewunderte Antek. Nur Willi blieb skeptisch. Er stand im Chorgestühl, beide Arme seitwärts um die Lehnen der Bänke gelegt. Er wusste, dass Antek jetzt lügen würde.
    »Wir erfuhren, dass die Speisekammer einem gewissen Arthur Dressler gehöre«, sagte Antek. Er gönnte weder den Freunden noch Willi einen Blick, er ging auf Jähde zu, bis er dicht vor ihm stand.
    »Als wir satt genug waren, bekamen wir ein schlechtes Gewissen. Wir wollten wissen, wen wir bestohlen hatten. Das ist alles, Herr Rektor!«
    Willi nahm nachdenklich die Arme vom Geländer. Das Lächeln in seinem Gesicht wich auch nicht, als Jähde ihn als Letzten fragte.
    »Es ist ja leicht nachzuprüfen«, sagte er zwiespältig.
    Jähde nahm seine Worte als Bestätigung. Er ordnete an, dass die Jungen Arrest bekämen. »Das Abendessen wird gestrichen!«
    »Das ist schon gestrichen, auch für uns, Herr Jähde. Meine Frau hat außer ein paar Kartoffeln keine Lebensmittel mehr!«, antwortete Nagold. »Ich möchte Sie bitten, die Kinder nicht in Arrest zu sperren. Sie haben sich selbst davon überzeugt, dass es sich um eine Bagatelle handelt.«
    »Lieber Nagold«, sagte Jähde, während er verächtlich den humpelnden Mann neben sich betrachtete, »ich weiß die Moral der Heimat zu schützen, auch wenn einmal ein Schlag ins Leere geht. Sie wissen, wer Dressler ist!«
    »Ja, ja, aber das hat doch nichts mit den Kindern zu tun«, wandte Nagold ungeduldig ein. »Wenn Sie den Nebensächlichkeiten zu großes Gewicht beilegen, belasten sie Unschuldige.«
    Die Stille des Kirchplatzes, ohne Geschrei fremder Menschen, ohne pausenloses

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