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Stern ohne Himmel

Stern ohne Himmel

Titel: Stern ohne Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Ossowski
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Als ob es keine größeren Probleme zu bewältigen gab. Aber er hatte keine Lust, eine Prügelei anzufangen, zumal er beide gegen sich hatte. Zick war keine Hilfe. Man wusste bei ihm auch nie, wessen Partei er ergreifen würde.
    »Von mir aus«, sagte Antek ärgerlich, »behält eben Willi den Schlüssel. Macht, was ihr wollt.«
    Paule grinste.
    »Wenn Ruth mitkommt, schließ ich nicht auf …«, sagte Willi. Antek hatte begonnen, die Bretter zur Seite zu räumen. Bei Willis Worten richtete er sich auf, sprang Willi von hinten an und riss ihm den Unterarm über den Rücken hoch, bis der Gepeinigte in die Knie fiel.
    »Genügt dir das?«, fragte Antek und zerrte noch einmal am Handgelenk.
    Willi konnte nur noch stöhnend nicken. Antek ließ los. Keiner der Jungen hatte Ruth angesehen, die abwartend dabeigestanden hatte und jetzt schweigend die Bretter wegräumte, als wäre nichts geschehen.
    Hinter einem abgebrochenen Pfeiler wurde eine eiserne Kellertür sichtbar. Den Betonklotz so weit zur Seite zu schieben, dass man die Tür öffnen konnte, war jedes Mal eine schwere Arbeit. Aber zur Tarnung war diese Mühe unumgänglich. Fest packten die Hände der Jungens zu. Zick gab das Kommando. Willis Gesicht wurde vor Anstrengung rot. Paule half mit einer Eisenstange, Antek sicherte den Pfeiler ab, damit er nicht zu weit wegrutschte.
    »Achtung«, Paule warf die Stange weg.
    Es war geschafft.
    »Wer hat die Kerze?«
    Ruth gab sie nur ungern her. »Unten ist es so dunkel«, jammerte sie.
    »Eben«, meinte Willi und schob den Eisenriegel zurück.
    Finsternis und der Geruch von feuchtem Mauerwerk schlug ihnen entgegen. Nacheinander stiegen sie die halb verschüttete Kellertreppe hinunter, die in einen langen Gang mündete. Etwas huschte an Ruth vorbei.
    »Ratten«, sagte Paule.
    Ruth hielt sich an Anteks Jacke fest, bis er ihr beruhigend die Hand hinstreckte. Die Kerze reichte für Willi gerade aus, um den Weg zu finden. Zick musste als Letzter durch die Dunkelheit tappen. Keiner sprach, die Schatten tanzten an der Wand, irgendwo tropfte es. Alle fünf sehnten sich danach, ihr Ziel zu erreichen.
    Da schrie Zick auf. Etwas hatte aus dem Hinterhalt nach ihm gefasst und hielt ihn mit eiserner Kraft am Pullover fest. Die Kinder, von Zicks Geschrei verfolgt, rannten vorwärts. Erst am Ende des Ganges, wo ein grauer Schimmer Tageslicht durch ein Mauerloch drang, blieben sie stehen. Zick war verstummt. Antek nahm Willi das Licht ab und tauchte wieder in der unheilvollen Finsternis des Gewölbes unter. Die Kerze trug er hoch, und den Arm hielt er so, als erwarte er einen Angriff.
    »Es war bloß ein Nagel«, piepste es plötzlich und gleich darauf stand Zick im Lichtschein. Er zeigte auf ein Loch in seinem Pullover. Als Beweis hielt er Antek einen verrosteten Dorn entgegen, an dem er allem Anschein nach hängen geblieben war.
    »Idiot«, zischte Antek. Unsanft stieß er Zick vor sich her. Willi wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Das nächste Mal bleibst du hängen, du Angstarsch!«, sagte er.
    »Oder du holst ihn zur Abwechslung zurück«, unterbrach ihn Antek.
    Ruth lachte.
    »Ach«, höhnte Paul, »nicht doch, dann vergeht ihm der Appetit.«
    Appetit – sie vergaßen den Streit. Sie waren schließlich nicht hergekommen, um zu beweisen, wie mutig sie waren. Sie waren hergekommen, weil sie Hunger hatten und weil sie ungestört essen wollten. Willi machte sich an einer Brettertür zu schaffen, die einen Holzverschlag abschloss, und mit weit ausladender Gebärde ließ er die Tür zurückfliegen.
    Wurst, Marmelade, Kompott, Rosinen, Speck, Himbeersaft, Würfelzucker, saure Gurken!
    Willi stand mit geschlossenen Augen vor einem Regal. In Gedanken ließ er all die Wohlgenüsse über seine Zunge gleiten, bis er nach einer herrlich duftenden Dauerwurst griff und hineinbiss. Zick huschte hin und her. Während er sich den Mund voll Rosinen stopfte, überfiel ihn die Lust auf Speck, und während er den Speck zwischen den Zähnen spürte, glaubte er, sofort Sauerkraut essen zu müssen. Er aß und aß, bis ihm schlecht wurde und er durch ein Mauerloch im Gang kotzte. Paule dagegen bewies Systematik, überblickte die Vorräte, stellte sich ein Menü zusammen und trug sich das Erwünschte sorgfältig auf seinen Platz. Diesmal gab es bei ihm Leberwurst auf Speckscheiben, Pfirsiche mit Zwieback und zum Abschluss Mandeln und Rosinen. Dazu eine Flasche schwarzen Johannisbeersaft.
    Antek hatte ein Glas Kirschen geöffnet. Er hielt es Ruth hin:

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