Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
Sklaverei frei geworden? Glauben Sie wahrhaftig, ich wäre ein schlechterer, nichtswürdiger Mensch, nur weil ich schwarz bin?«
Fela verstummte. Doch eine Frage blieb so deutlich im Raum stehen, dass sie als Echo in den Ohren dröhnte.
Hermann seufzte. Er war so müde. Er musste so viele Entscheidungen treffen. Carpenter wartete auf eine Zusage, Mafalda erwartete, dass er ihn zum Teufel schickte. War das nicht schwer genug? Musste Fela ausgerechnet jetzt vor ihm stehen und ihm erklären, dass ein schwarzer Mann seiner weißen Schwester ein Leben bieten konnte, wie sie es verdiente?
»Geh!«, sagte er wieder. »Du hast Arbeit. Kümmere dich um das Vieh. Eine Hochzeit gibt es nicht. Nicht jetzt. Geh endlich.«
Doch Fela rührte sich nicht. Er blieb einfach stehen, aufrecht, die dunklen Augen fest auf Hermanns Gesicht gerichtet. Seine Miene und seine Haltung drückten aus, dass für ihn das Gespräch noch lange nicht beendet war und dass er ausharren würde, bis eine Entscheidung zu seinen Gunsten gefallen wäre.
Also ging Hermann. Ließ sich vertreiben aus dem eigenen Haus. Einfach so. Ohne Gegenwehr. Wieder flammte die Wut in ihm auf, wirbelte wie ein Hurrikan durch seine Gedanken, setzte sich als Kloß in den Hals und als Klumpen in den Bauch. Er stand in der Halle seines Hauses und wusste nicht, wohin. Sein Arbeitszimmer war ihm verschlossen, im Patio hörte er bereits Carpenter lärmen. Einmal drehte er sich um die eigene Achse, hob die Arme in rasender Verzweiflung, dann stürmte er aus dem Haus, eilte zum Stall, riss sein Pferd heraus, wartete vor Ungeduld trampelnd, bis der Stallbursche es gesattelt hatte, dann sprang er darauf und jagte, eine mächtige Staubwolke aufwirbelnd, über den Ingenio. Er war blind für das, was rechts und links des Weges geschah. Er wollte einfach nur weg, wollte wieder frei atmen können, wollte an einem Ort sein, an dem es weder einen Fela noch einen Carpenter gab. Er ritt und ritt, bis dem Pferd der Schaum in Flocken aus dem Maul stiebte. Irgendwo am Rande der Hügelkette hielt er inne. Er war weit weg vom Herrenhaus und atmete tief ein und aus. Dann ließ er sein Pferd grasen und setzte sich unter einen Baum. Was soll ich nur machen?, dachte er. Ich kann Titine nicht mit Fela verheiraten. Er ist mein Feind. Zum ersten Mal dachte er dieses Wort. Feind. Aber warum war Fela sein Feind? Lange dachte Hermann darüber nach. Aber er kam nicht darauf, dass Fela alles, was er, Hermann, tat und entschied, in Frage stellte. Ja, er stellte sogar Hermanns Männlichkeit in Frage. Es war einfach so, dass sich Hermann von Fela bedroht fühlte. Er konnte nicht genau sagen, warum das so war, aber es war so. Ob er ein schlechtes Gewissen hatte, weil er Fela jahrelang als Sklaven gehalten hatte? Oder war es so, weil Hermann im tiefsten Inneren nicht wollte, dass es für seine Schwester einen anderen Mann als ihn gab? Er wusste es nicht, und er wollte es auch gar nicht genauer wissen. Fest stand nur, dass Fela der Feind war. Ende und aus. Jetzt galt es, eine Entscheidung zu treffen.
Er legte sich in das trockene, stachelige Gras, verschränkte die Arme unter dem Kopf und blickte in den Himmel, der strahlend blau und unendlich fern über ihm hing. Fela musste weg, dachte Hermann. Doch das würde nicht einfach sein. Wenn aber Fela nicht wich, dann musste Titine den Ingenio verlassen.
Hermann sprang auf. Jetzt wusste er, was er zu tun hatte.
Sechstes Kapitel
H ermann ritt im gestreckten Galopp zurück zum Herrenhaus. Es war ihm gleich, ob Fela noch immer wie ein Ölgötze im Arbeitszimmer stand, es war ihm auch gleich, ob der kleine, stämmige Amerikaner mit dem brüllenden Lachen im Patio hockte. Hermann wusste jetzt, was er tun würde, und er duldete keinen Widerspruch. Er stürmte ins Haus, fasste Mafalda, die im Salon saß und einen Stickrahmen hielt, bei der Hand und zog sie ins Schlafzimmer. »Pack ein paar Sachen. Für dich. Und einen großen Koffer für Titine. Ihr beide fahrt mit Groth und Carpenter nach Havanna.«
Mafalda ließ den Stickrahmen sinken. »Aber warum denn das?«
»Weil ich es sage. Ich habe gerade ein paar Entscheidungen getroffen, die mir nicht leichtgefallen sind. Aber irgendjemand muss es ja tun. Nun, Titine wird nach Havanna gehen. Sie wird eine Weile dort leben. Vielleicht so lange, bis sie das Kind bekommen hat.«
»Willst du, dass sie es behält?«
Hermann schürzte die Unterlippe, dachte kurz nach, dann nickte er. »Ja. Soll sie das Kind behalten. Ein Kind
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