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Sterne im Sand

Sterne im Sand

Titel: Sterne im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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bist! Das gefällt den Leuten nicht. Wir schämen uns deiner. Sie verstehen nicht, warum sie dich durchfüttern sollen.«
    Minnie geriet in Rage. »Sie müssen mich nicht durchfüttern. Es ist mir egal. Und über dich weiß ich genau Bescheid! Du hast einen neuen Mann. Du hast gesagt, Männer würden dein Leben nur durcheinanderbringen, und jetzt steckst du pausenlos mit diesem Rangutta zusammen!«
    »Das ist kein Geheimnis. Ich habe mich entschlossen, ihn zum Mann zu nehmen.«
    »Damit du neue Babys haben und Jagga vergessen kannst!«
    »Das ist nicht wahr. Ich werde Jagga nie vergessen. Er kommt eines Tages heim.«
    »Wie denn?« schrie Minnie. »Wie sollen sie uns hier finden? Es sind doch nur kleine Jungs.«
    Nioka seufzte. »Rangutta hat mit den Ältesten seines Stammes gesprochen. Sie kennen sich aus. Sie sagen, daß die Weißen öfter schwarze Kinder mitnehmen und behalten, als wären es ihre eigenen.«
    »Was? Das glaube ich nicht. Sie haben sie in die Schule gebracht und schicken sie in den Ferien nach Hause, genau wie die Söhne der Brodericks.«
    »Nein«, sagte Nioka traurig. »Wir haben uns geirrt. Schwarze Kinder bringen sie nicht zurück, das mußt du einsehen, Minnie. Du kannst dich heute noch ausruhen, doch morgen mußt du mit uns arbeiten.« Sie stieß ihre Schwester sanft an.
    »Dann verschwindet auch dieses Fett wieder.«
    »Zuerst sagst du, ich soll mehr essen, jetzt bin ich plötzlich zu fett. Du weißt gar nicht, wovon du redest. Keiner von euch.« Sie rappelte sich auf. »Ich suche Moobuluk.«
    »Sei nicht albern. Wir wissen nicht, wo er ist.«
    »Dann faste ich so lange, bis er kommt.«
    »Das wird Bobbo auch nicht helfen.«
    Minnie schlug mit der Faust nach ihrer Schwester. »Geh weg, du Lügnerin. Du sagst, Bobbo kommt nicht zurück. Du willst mich nur dazu bringen, daß ich arbeite, aber das werde ich nicht tun.« Sie begann zu weinen und schluchzte heftig.
    »Ich habe alles verloren. Meinen lieben Jungen. Sogar Weihnachten habe ich verpaßt.«
    »Weihnachten?« entgegnete Nioka ungläubig. »Was hat das denn damit zu tun?«
    »Geh weg. Ich hasse dich. Ich hasse diesen ganzen Ort.«
    Minnie fastete tatsächlich. Sie weigerte sich strikt, auf Nahrungssuche zu gehen, und irgendwann begann Nioka sich ernsthaft Sorgen zu machen. Sie brachte ihrer Schwester gekochtes Fleisch, Fladenbrot mit Honig, Nüsse und ihre Lieblingsbeeren, doch Minnie schob alles beiseite.
    Gabbidgee kam, um ihr ins Gewissen zu reden. Er sprach über seinen Sohn Doombie, bat sie zu essen, damit sie bei Kräften blieb. Als alles nichts fruchtete, rief er die Ältesten zusammen, die sich zu Minnie hockten und sie zu überreden versuchten. Doch sie wiederholte immer nur die eine Frage.
    »Stimmt es, daß die Weißen unsere Kinder behalten? Wagt es nicht, mich anzulügen, sonst trifft euch die Rache der Geister.«
    »Es stimmt«, sagten sie schließlich bedrückt. »Es ist wahr.« Manchmal verschwand Minnie tagelang im Busch und wanderte ziellos umher, bis jemand sie zurückholte. Dann saß sie schweigend am Ufer des Sees.
    Nioka tat es inzwischen leid, daß sie Minnie als fett bezeichnet hatte. Sie magerte rasch ab und wirkte bald so hager und ungepflegt, daß sie zur Zielscheibe grausamer Scherze wurde. Die Kinder nannten sie nur die ›Verrückte‹.
    »Warum tut sie das?« fragte Nioka die weisen Männer.
    »Bobbo kommt dadurch nicht wieder. Es ist so dumm.«
    »Sie bestraft sich selbst. Sie denkt, sie hätte den Jungen nicht ausreichend beschützt.«
    »Aber wir haben es doch nicht gewußt. Wir dachten, die Jungen seien sicher bei den Familien. Und sie glaubten, der Betmann würde sie einfach nur in seinem Wagen mitfahren lassen.« Sie weinte. »Wie konnten wir wissen, daß etwas so Schreckliches geschehen würde?«
    »Das konntet ihr nicht. Euch trifft keine Schuld.«
    »Wie lange kann sie so weitermachen?«
    »Es dauert lange, bis man tatsächlich verhungert, doch die körperliche Schwäche macht sie anfällig für Krankheiten. Wir sprechen noch einmal mit ihr.«
    Doch Minnie hatte sich die Brüste aufgeschlitzt und duldete nicht, daß man ihre Trauer störte.
    »Vielleicht ist das heilsam«, sagten die Ältesten zu Nioka.
    »Wenn sie den Traditionen folgt, kann sie irgendwann das Weinen hinter sich lassen.«
    Nioka schöpfte neue Hoffnung. Der Sommerregen kam; das Tal dampfte in der Hitze, der trockene Wald bekam ein üppig grünes Kleid, dessen leuchtende Farben sich im See spiegelten. Die Schönheit der Landschaft

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