Sterne im Sand
Arbeitstag das Armenhaus verließ. Er hatte sich sogar Pferd und Wagen geliehen, um sie zu dem winzigen Holzhäuschen in Camp Hill zu fahren. Doombie thronte zwischen ihnen. Er war noch schwach und dünn, bekam aber nun ein Zuhause. Nachdem sie ihn gesundgepflegt hatte, konnte Molly Giles es einfach nicht übers Herz bringen, ihn im Armenhaus zurückzulassen.
»Er würde auf der Straße landen«, hatte sie Buster erklärt, der dazu nur gütig lächelte, wohl wissend, daß der Kleine seiner Schwester inzwischen ans Herz gewachsen war. Doombie würde es gut bei ihr haben.
So fand die Geschichte ein glückliches Ende. Buster freute sich schon auf seinen eigenen Ruhestand. Bis es soweit war, würde er die beiden an seinen freien Tagen besuchen. Nach all den einsamen Jahren waren sie nun zu dritt, wie eine richtige Familie.
Das Armenhaus war von Mauern umgeben gewesen, doch Bobbo hatte seine Freiheit innerhalb dieser Grenzen genossen. Er und seine Freunde glaubten aufrichtig, daß es nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach Hause sei. Der nette Mann hatte sie aus den Fängen des bösen befreit, der sie von zu Hause gestohlen hatte, und würde sie bald wieder holen kommen. Buster bestärkte sie in ihrem Glauben. Er schlug sie nie, fesselte sie nicht und steckte Doombie auch keinen Knebel in den Mund, wenn er im Schlaf aufschrie. Sie durften dieses riesige Haus nach Herzenslust erforschen und entdeckten bald, daß es einen herrlichen Spielplatz abgab. Sie spielten Nachlaufen und Verstecken in dem menschenüberfüllten, grauen Gebäude mit seinen seltsamen Gerüchen.
Dennoch behielt Bobbo stets das Tor im Auge, das immer offenstand. Menschen kamen und gingen, und die Jungen wußten, daß sie jederzeit davonlaufen konnten.
Nun aber befand er sich an einem anderen Ort. Mitten in der Nacht hatten ihn neue Teufel weggeschleppt, weg von seinen einzigen Freunden.
Auch dieser Ort hatte Mauern, hohe Wände aus Holz, und schwere Tore, die aber stets verschlossen waren. Das machte ihm angst. Allmählich dämmerte ihm, daß alle Weißen sie belogen hatten. Sie würden ihn nicht nach Hause bringen. Jagga und Doombie mochten vielleicht heimkehren, doch seine Chance war dahin.
Jeder Tag brachte neue Erschütterungen. Man steckte Bobbo gemeinsam mit einem Haufen meist weißer Jungs in eine langgestreckte Hütte, die von weißen, riemenschwingenden Bossen regiert wurde.
Bobbo haßte sie von Anfang an. Er wußte nicht, wie er sein Bett machen, mit Messer und Gabel essen oder sich richtig anziehen sollte. Doch es wurde noch schlimmer. Es gab so viele Vorschriften, Schläge und Schreie, daß er aus lauter Verwirrung vorübergehend seine Englischkenntnisse einbüßte. Woher aber sollte er wissen, daß dies die schlimmste Sünde von allen war? Wann immer er etwas in seiner Sprache sagte, wurde er bestraft: in Schränke eingesperrt, ohne Essen ins Bett geschickt oder mit dem Riemen gezüchtigt. Mit Hilfe der anderen Kinder erlangte er seine Kenntnisse allmählich zurück.
Es wurde gebetet, unterrichtet und gelernt. In den ersten Wochen strengte sich Bobbo mächtig an, um den Strafen zu entgehen, doch das schien auf die Bosse keinen Eindruck zu machen; er war ein für allemal als Trottel abgestempelt. Verzweifelt begann er sich zu wehren. Wenn sie ihn durch die Gegend zerrten, trat, spuckte und biß er um sich, forderte damit aber nur weitere Prügel heraus. Bald schon schnappte er Schimpfwörter und Flüche auf, mit denen er seine Peiniger überschüttete, und brüllte sich die Seele aus dem Leib, wenn man ihn in dunkle Räume einsperrte, um ihn gutes Benehmen zu lehren.
Das fröhliche Kind von einst galt nun nicht mehr als Trottel. Dieser Name paßte einfach nicht zu dem neuen, kämpferischen und herausfordernden Bobbo, der seine Verletzungen stolz zur Schau trug.
Dennoch, dies war ein Waisenhaus, und es führte kein Weg hinaus. Die Mitarbeiter wußten, früher oder später würde er sich notgedrungen anpassen müssen. In der Zwischenzeit mußten sie ihn zu einem gottesfürchtigen Christen bekehren, und sie kannten nur ein Mittel, um dies zu erreichen: den Riemen.
Jagga lebte währenddessen von Luxus umgeben bei der freundlichen Frau und ihrem Ehemann. Er schlief in einem Eisenbett auf der hinteren Veranda und wurde jeden Morgen gebadet, gepudert und in komische Kleidung gesteckt. Sie sah zwar hübsch aus, war aber äußerst unbequem, vor allem der seltsame Hut.
Zum großen Ärger der Dame ging er bald dazu über, die
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