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Sterne im Sand

Sterne im Sand

Titel: Sterne im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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aus. Niokas Verschwinden blieb ein Geheimnis und brach ihrem Geliebten beinahe das Herz. Verzweifelt bat er die Ältesten, nach Moobuluk zu schicken, dem ehrfurchtgebietenden Zauberer, mit dem sie verwandt war.
     
    Bobburah, auch Bobbo genannt, erlebte im Schlaf das Dahinscheiden seiner Mutter mit. Für ihn sah es genauso anmutig aus, wie sie es sich gewünscht hatte; sie trieb auf den sanften Wellen dahin, lächelte ihn an, duftende Blumen umgaben ihr langes, schwarzes Haar, und er hörte, wie sie liebevoll seinen Namen rief. Der Anblick war wunderschön, und er verzieh ihr, daß sie nichts dagegen unternommen hatte, daß die Weißen ihn mitnahmen. Er tauchte in ihre warmen braunen Augen ein, sah durch sie hindurch die vertraute Küche mit der Veranda davor, auf der er so oft mit Teddy gespielt hatte. Und die großen Männer mit ihren Pferden und die dummen, wolligen Schafe. Er lächelte. Dumme, wollige Schafe mit weichen Köpfen und niedlichen Lämmern, die ihre kleinen Schnauzen in Eimer voller Milch drückten. Sie führten ein unbeschwertes Leben. Es erinnerte ihn an glückliche Zeiten. Aber wo war das gewesen?
    Seine Mutter wirkte sehr schläfrig und schloß die Augen, doch als er ihr diese Frage stellte, sah sie ihn überrascht an. »Springfield«, antwortete sie klar und deutlich. »Springfield.«
    Dann glitt sie zufrieden in die Traumzeit hinüber.
    Bobbo fuhr mit einem Ruck aus dem Schlaf hoch, das Wort ›Springfield‹ noch im Ohr. Vor Kälte zitternd, trat er zu den anderen zerlumpten Jungen, mit denen er ihre schäbige Unterkunft säubern mußte, bevor sie sich alle zum Appell und dem allmorgendlichen Singen von Kirchenliedern auf dem harten Asphalt des Hofes versammelten. Danach trottete er verschlafen zum Frühstück, löffelte seinen dünnen Porridge und wartete in der Schlange auf seinen Korb. Da man der Meinung war, es habe keinen Sinn, farbigen Kindern Unterricht zu erteilen, mußte er sich trotz seines Alters an der schweren Arbeit im Gemüsegarten beteiligen. Das Waisenhaus hatte ein zusätzliches Stück Land erworben, das urbar gemacht werden mußte.
    An diesem Tag machte es Bobbo nichts aus, mit den anderen Jungen aufs Feld zu ziehen, das sie von Steinen zu befreien hatten. Das Feld lag vor den Toren des Waisenhauses und war nicht eingezäunt. Als er seinen flachen Korb mit Steinen gefüllt hatte, schleppte er ihn mühsam zu dem stetig wachsenden Steinhügel, wo die Last abgeladen wurde. Er ging um den Hügel herum, ließ den Korb dort unbemerkt liegen und entfernte sich, vom Hügel gedeckt, von den anderen Jungen. Bobbo rannte nicht, ging vielmehr ganz leise auf einen Weg am Ende des Feldes zu. Dann jedoch sprintete er los, bog in den nächstbesten Hof ein, kletterte über einen niedrigen Zaun und rannte weiter. Im Zickzack sauste er über Privatgrundstücke, schlüpfte unter Stacheldrahtzäunen hindurch, erreichte eine Straße und lief sie entlang, so schnell ihn seine kleinen Beine trugen. Dann bog er in eine gepflasterte Gasse ein und rannte, rannte, rannte den Bossen davon. Stundenlang rannte er so, bis er Unterschlupf in einem verwilderten Obstgarten fand, wo er einige wurmstichige Äpfel verschlang. Bobbo schmeckten sie köstlich, und er saugte gierig an den Kerngehäusen, während er wartete.
    Die Sonne wanderte über die Bäume nach Westen, weg von der großen Stadt. Er glaubte, sie werde ihn nach Hause bringen, zurück aufs Land. Entschlossen stand er auf und lief weiter, immer der Nachmittagssonne entgegen.
    In dieser Nacht schlief er in einem Gebüsch am Straßenrand. Am Morgen sah er, daß er sich auf einem Acker befand, und klopfte kühn an die Hintertür des dazugehörigen Farmhauses.
    Eine Frau öffnete und sah ihn verblüfft an. »Wer bist denn du?«
    »Missus, haben Sie bitte was für mich zu essen?« fragte er. Erstaunt betrachtete sie die zerlumpte Gestalt. »Wo sind deine Eltern?«
    Er zeigte mit dem Finger auf die Straße. »Da lang. Haben Sie ein kleines bißchen für mich?«
    Die Frau lachte. »In Ordnung, aber dann verschwindest du gleich wieder. Und nichts anfassen. Ich bin gleich zurück.«
    Sie kam mit einem säuberlich durchgeschnittenen Honigsandwich wieder.
    »Bitte schön.«
    Seine braunen Augen blitzten auf vor Freude. »Danke, Missus.«
    »Und jetzt ab mit dir!«
    Im Laufen verschlang er das Sandwich. Er war nach wie vor der festen Überzeugung, er befinde sich auf dem Heimweg. Und jetzt, da er wußte, wie er sich etwas zu essen beschaffen konnte, würde ihm

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