Sterne im Sand
nichts mehr passieren. Ihm war die Küche von Springfield wieder eingefallen, wo seine Mutter gearbeitet hatte, bevor sie in die Traumzeit hinüberging.
Doombie lebte nach wie vor bei der Aufseherin. Er fühlte sich wohl bei der freundlichen Frau, die ihn wie ihren eigenen Sohn behandelte. Beide freuten sich auf die Sonntage, an denen Buster zum Mittagessen kam und Neuigkeiten aus dem Armenhaus mitbrachte.
»Sie haben kein Geld zum Renovieren«, berichtete er seiner Schwester. »Sieht aus, als müßte es geschlossen werden. Vermutlich wird das ganze Gebäude abgerissen.«
»Zu etwas anderem taugt es ja auch nicht mehr.«
»Schon, aber was wird aus mir? Ich verliere meine Arbeit.«
»Du weißt, du kannst jederzeit zu mir ziehen. Ständig werden hier neue Häuser gebaut, die Siedlung wächst und wächst, und an Möglichkeiten zu Gelegenheitsarbeiten herrscht kein Mangel. Ich habe mich erkundigt – einen Mann wie dich können sie hier immer gebrauchen.« Sie lächelte. »Außerdem leben jetzt viele junge Familien hier. Meinen Ruf als zuverlässige Hebamme hab’ ich bei denen schon weg.«
»Das kann ich mir denken«, erwiderte Buster stolz. »Vermutlich gibt es in dieser Gegend nicht allzu viele davon.«
Mrs. Adam Smith mißfiel die Gegenwart des schwarzen Kindes immer mehr, zumal sie inzwischen selbst ein Baby erwartete. Die Nachricht war ein rechter Schock gewesen; die Ärzte hatten ihr immer gesagt, sie könne keine Kinder bekommen, und nun war sie schon im dritten Monat. Immerhin hatte Adam daraufhin eine Entscheidung gefällt. »Wir können unser Kind nicht zusammen mit einem schwarzen aufziehen. Stell dir vor, es wird ein Mädchen!«
»Ob Junge oder Mädchen, es geziemt sich einfach nicht. Er muß weg.«
»Ja. Ich werde sehen, was sich machen läßt.«
Bei seinen Nachforschungen entdeckte er, daß es weit draußen hinter Ipswich an der Straße nach Toowoomba ein neues Reservat für Schwarze gab. Dort lebten Aborigine-Familien aus verschiedenen Bezirken.
»Das wäre ideal für ihn«, erklärte er seiner Frau. »Man sagte mir, einige schwarze Frauen würden Jack sehr gern bei sich aufnehmen. Dort ist er ohnehin besser aufgehoben.«
Die Köchin empfand als einzige Mitleid mit Jagga. Sie packte seine Sachen in einen schicken, neuen Koffer, zog ihm seinen besten Matrosenanzug mit dem weißen Strohhut an und bestand darauf, daß er seine guten Schuhe und Strümpfe trug. Dann gab sie ihm einen Korb mit Rindswürstchen, Früchtekuchen, Keksen und Bananen mit, drückte ihm zwei Pennies in die Hand und einen Kuß auf die Wange.
Jagga war begeistert, da er glaubte, man bringe ihn zurück zu Bobbo und Doombie. Daß Bobbo das Armenhaus bereits vor ihm verlassen hatte, hatte er vergessen. Der Koffer interessierte ihn nicht weiter, der Picknickkorb dafür um so mehr. Er hielt ihn fest an sich gepreßt, als ihm die hübsche Dame zum Abschied den Kopf tätschelte und ihn neben Mr. Smith in den Gig verfrachtete.
Die Reise über den Fluß und aufs Land hinaus dauerte sehr lange. Nach einer Weile rollte er sich auf einem Teppich unter dem Sitz zusammen und döste glücklich ein. In einer großen Stadt legten sie eine Pause ein. Jagga durfte an Mr. Smiths Seite in einem Café zu Mittag essen, wo er einiges Aufsehen erregte, weil er so gute Tischmanieren besaß. Er sah, daß Mr. Smith mit ihm zufrieden war, denn er lächelte und machte Scherze und kaufte ihm zum Schluß sogar ein Erdbeereis.
Dann ging der tolle Ausflug weiter. Sie rollten eine lange, sandige Straße entlang, die irgendwie vertraut roch. »Wir fahren Hause?« fragte er unvermittelt.
»Ja. Ich bringe dich an einen Ort, wo viele Mädchen und Jungen wie du leben. Dort wirst du eine Menge Spielkameraden finden.«
»Wirklich Hause?«
»Ja.«
Doch irgendwann hielten sie an einem seltsamen, fremden Ort. Es gab ein riesiges Tor dort, viele Hütten und Menschen, doch das waren nicht seine Leute. Jagga bekam es mit der Angst zu tun.
»Das nicht Hause.«
»Doch, das sind deine Leute.«
Jagga klammerte sich an ihm fest. »Angst, kenne die nicht.«
Für Jagga, dem die Unterscheidung nach Hautfarben unbekannt war, waren diese dunkelhäutigen Menschen allesamt Fremde, und er mußte gewaltsam vom Gig weggezogen werden.
»Sieht nicht wie ein Waisenkind aus«, bemerkte der Verwalter mit einem Blick auf den herausgeputzten Jungen.
»Wir haben uns gut um ihn gekümmert«, sagte Smith. »Aber ich denke, hier ist er besser aufgehoben.«
»Stimmt wohl.
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