Sterne im Sand
dieses Land in freien Grundbesitz umgewandelt wurde? Wir können sie nur davon abhalten, ihre Claims abzustecken, indem wir ihnen zuvorkommen und es selbst kaufen, und das ist bei unserer derzeitigen finanziellen Lage einfach nicht drin.«
Victor schüttelte den Kopf und sagte nichts dazu. Das war doch alles rein hypothetisch. Oder etwa nicht? Allmählich machte Austin ihn nervös.
»Geh und hol Rupe. Wir halten Kriegsrat. Wir müssen unser bestes Land kennzeichnen, bewässertes Land an den Flußufern und Wasserläufen …«
»Wozu? Wir können doch unmöglich alles einzäunen.«
»Das kommt später. Es ist der Plan für den Notfall. Wir kartographieren Parzellen von der Größe, die Interessenten, darunter auch wir, maximal frei erwerben dürfen. Wenn es zum Schlimmsten kommt, sind wir bereit und schlagen als erste zu. Wenigstens die Sahnestücke können wir uns auf diese Weise sichern.«
Victor starrte auf die Karten. »Das ist viel Arbeit. Ohne einen guten Vermesser ist das gar nicht zu schaffen.«
»Dann besorg einen.«
Charlotte trat ein. »Austin, der Reverend möchte mit dir sprechen.«
»Jetzt nicht. Wir haben zu tun. Was will er?«
»Das weiß ich nicht.«
»Dann finde es heraus. Und mach du es mit ihm aus.«
Sie verließ achselzuckend den Raum.
Da sie nicht Besseres zu tun hatte, war Louisa allein mit den Gästen zurückgeblieben.
»Weshalb wollen Sie mit Austin sprechen?« fragte sie Billings. »Mein Ehemann leitet jetzt die Farm. Austin hat sich zur Ruhe gesetzt.«
»Das ist mir durchaus bewußt, meine Dame, aber mein Bischof hat mich gebeten, mit Austin Broderick über Kirchenfragen zu sprechen.«
»Es hat keinen Sinn, mit Austin über den Bau einer Kirche reden zu wollen. Da könnten Sie bei Victor schon eher Glück haben.«
»Es geht nicht um eine Kirche«, warf Mrs. Billings ein, »sondern um die Aborigines. Wir betrachten es als unsere Pflicht, ihnen zu helfen.«
»Oh, das ist aber nett«, antwortete Louisa geistesabwesend.
In diesem Augenblick kehrte Charlotte zurück. »Die Männer sind zur Zeit beschäftigt, Reverend. Vielleicht kann ich Ihnen ja weiterhelfen?«
»Sie wollen etwas für die Schwarzen tun«, erklärte Louisa.
Charlotte bemerkte, daß der Reverend nicht allzu erpicht darauf schien, die Angelegenheit mit ihr zu besprechen, und nahm wieder am Tisch Platz. Sie sah ihn ermutigend an.
»Was schwebt Ihnen in diesem Zusammenhang vor?«
In die Enge getrieben, zog er einen Brief aus der Westentasche. »Vielleicht könnten Sie ihn Mr. Austin geben«, sagte er von oben herab. »Es stammt von meinem Bischof. Er empfindet es als unsere Christenpflicht, den armen, benachteiligten Kindern dieser Schwarzen, die in solchem Elend hausen müssen, die Hand zu reichen.«
»Sehr löblich«, murmelte Charlotte. »Darf ich ihn lesen?«
Der Reverend zögerte, wollte seine Gastgeberin aber auch nicht vor den Kopf stoßen.
»Selbstverständlich.«
Charlotte studierte den Brief aufmerksam und schaute dann lächelnd auf. »Was für ein wunderbares Programm. Gibt es das schon seit längerem?«
»Oh ja«, erwiderte Mrs. Billings eifrig. »Eingeborene Kinder müssen aus ihrer heidnischen Umgebung errettet und der Zivilisation zugeführt werden.«
»Sie werden als Christen erzogen«, fügte ihr Mann hinzu.
»Man sorgt für sie und bringt ihnen bei, sich in der Welt der Weißen zurechtzufinden. Dieses Werk der Nächstenliebe liegt uns sehr am Herzen.«
»Ja, so erklärt es Ihr Bischof hier auch. Sie haben also schon mehr als zwanzig Kinder untergebracht? Wohin kommen sie?«
»Wir unterhalten eine Missionsschule in Reedy Creek, ungefähr fünf Meilen außerhalb von Brisbane. Sie wird von unseren Laienbrüdern geleitet. Natürlich halten wir die Rassentrennung ein. Die Kinder lernen Englisch, und wenn sie älter sind, bringen wir sie bei Familien unter, wo sie für ihren Unterhalt arbeiten können.«
»Sind sie dort glücklich?«
»In der Tat. Sie haben viel Gesellschaft.«
»Ich habe schon davon gehört«, sagte Louisa. »Eine wunderbare Idee. Die Kirche von England holte ungefähr zwanzig Kinder von der Farm meines Onkels in Neusüdwales. Es geschieht überall. Wird auch Zeit, denn was sollte sonst aus ihnen werden? Sie können nicht länger in Stammesgemeinschaften leben.«
»Genau. Schließlich haben wir die Trunksucht und das verachtungswürdige Verhalten der Schwarzen erlebt, die in die Slums der Städte strömen. Wir müssen sie vor Not und Verzweiflung bewahren. So viele
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