Sterne im Sand
Williams, daß wir als Missionare nach Brisbane reisen sollten. Nach Australien!
Ihr fiel ein, wie eine gehässige Frau, die ihnen ihr Glück neidete, behauptet hatte, Bischof Frawley sei gar kein echter Bischof. Er sei gerade erst in die Kirche eingetreten und nenne sich nur so! »Er ist keinen Deut besser als Pastor Williams«, hatte sie gesagt.
Tom hatte sie schnell zum Verstummen gebracht. »Die Wahrheit wird durch unsere Kirche ans Licht gebracht«, hatte er sie ermahnt. »Irgendwo müssen wir ja schließlich anfangen. Denke immer daran, daß der heilige Petrus nur ein Fischer war. Bischof Frawley ist einfach unser erster Bischof. Viele, viele weitere werden folgen.«
Amy mußte sich eingestehen, daß sie noch immer in Armut lebten, doch dieses Opfer brachten sie willig. Andererseits mußten sie sich nicht länger mit ihrer langweiligen Arbeit abmühen oder sich um ihren Lebensunterhalt sorgen; die Zeit gehörte ihnen und dem Herrn, der sie auf dem Weg über die Kirche ernährte. Amy lächelte. »Unser Hirte«, sagte sie laut.
»Und sieh dir an, wohin er uns gebracht hat!« Sie wandte sich um und betrachtete das herrliche Sandsteinhaus, das von großen, schattigen Veranden im Kolonialstil eingefaßt war. Weiter hinten wurde das Haus nach beiden Seiten hin breiter. Einer dieser Seitentrakte war den eleganten Gästeunterkünften vorbehalten, die sie und Tom derzeit bewohnten. Dieser Flügel besaß sogar ein eigenes Wohnzimmer und ein geräumiges Bad! Da sie augenblicklich die einzigen Gäste waren, brauchten sie die Räumlichkeiten mit niemandem zu teilen. Welch ein Luxus!
Als sie am Ende der Auffahrt aus dem Schatten der Kiefern geglitten waren und das Anwesen vor ihnen auftauchte, hatte Amy vor Überraschung nach Luft geschnappt. Nie hätte sie in dieser Wildnis ein solches Haus erwartet. »Du meine Güte. Hast du je ein so prächtiges Haus gesehen?«
Doch Tom war wütend geworden. »Das ist ungeheuerlich! Eine Kränkung für den Herrn, wenn Menschen ihren Luxus so schamlos zur Schau stellen. Extravaganz ist die schlimmste aller Sünden und betrügt den Herrn um das, was ihm zusteht. Eine ekelerregende Verschwendung von Geld, mit dem man Seelen retten könnte. Gesegnet seien die Armen. Vergiß das nie, Amy. Diesen Menschen wird es schwerfallen, das Tor zum Himmel zu finden; sie sind geblendet von ihrer eigenen Wichtigkeit.«
Dennoch fuhr er mit dem Einspänner bis vor die elegante, zu beiden Seiten von Steinlöwen flankierte Treppe. Amy überlegte besorgt, ob sie nicht besser den Hintereingang benutzen sollten. Tom war aus anderem Holz geschnitzt und ließ sich von Häusern wie diesem nicht einschüchtern.
Sie hoffte, er würde sich nun endlich ausschlafen können, denn in letzter Zeit war er in ziemlich gereizter Stimmung gewesen. Sie hatte ihm geraten, während des Spaziergangs mit Mr. Broderick über ihre Mission zu sprechen, doch er hatte sie barsch zum Schweigen gebracht.
»Ich möchte nicht auf einer Besichtigungstour, sondern im Büro mit ihm sprechen. Das ist der Ort, an dem Männer wichtige Dinge diskutieren.«
Die schwarzen Kinder waren wichtig. Man hatte sie angewiesen, drei von ihnen mitzubringen, und dieser Auftrag würde sich wohl auch verwirklichen lassen. Dennoch wollte Tom zur Einleitung mit Broderick unter vier Augen über die Errichtung einer Kapelle sprechen. Broderick war ein sehr reicher Mann, und Bischof Frawley hatte angedeutet, daß von ihm eine großzügige Spende zu erwarten sei. »Kerle wie er verschenken, ohne mit der Wimper zu zucken, ein paar hundert Pfund. Denken Sie in großen Dimensionen. Wir sind hier nicht in Neuseeland.«
Nun mußte er einen erneuten Vorstoß unternehmen, um Broderick in seinem Büro zu erwischen. Er konnte nicht auf dem Umweg über dessen Frau oder Sohn das Thema zur Sprache bringen. Schließlich verließ sich der Bischof auf ihn und Amy.
Amy hatte sich vom Haus entfernt und war in Richtung der großen Nebengebäude spaziert, wo die eigentliche Arbeit getan wurde. Eine Gruppe von Reitern galoppierte über eine Lichtung. Sie genoß ihren Ausflug und trat so nah an die Koppel heran, daß sie zusehen konnte, wie die Männer abstiegen und die Pferde geschickt von Sattel und Zaumzeug befreiten. Es waren lauter junge, kräftige Kerle in ihrem Alter – sie war achtundzwanzig –, die in ihren karierten Hemden, Kattunhosen und kurzen Reitstiefeln überaus männlich wirkten.
Amy errötete bei diesen sündigen Gedanken. Was würde Tom sagen, wenn er
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