Sterne im Sand
sie willkommen heißenden Düfte ein, stieg in eine Wasserrinne hinunter, erkannte auf den altvertrauten Wegen jeden Baum und jeden morschen Baumstamm wieder.
Eigentlich brauchte sie sich nicht so zu beeilen, da sie zu Hause war und nun auch ohne fremde Hilfe mühelos Nahrung finden konnte. Sie dachte an die Unterhaltung mit dem weißen Paar zurück.
Hatten sie nicht gesagt, Boß Broderick sei tot? Und Mrs. Charlotte habe den Besitz verlassen? Dies waren ungeheuerliche Neuigkeiten, die ihre Pläne zwar nicht durcheinanderbrachten, aber Fragen über seinen Tod und dessen Folgen aufwarfen. In Niokas Augen waren Boß Broderick und Springfield ein und dasselbe. Sie konnte sich das Anwesen ohne ihn nicht vorstellen. Was würden die weißen Leute jetzt anfangen? Es spielte keine Rolle, ob Mrs. Charlotte da war oder nicht – sollten die drei Jungen auftauchen, würde Mrs. Louisa sich schon um sie kümmern.
Doch wer sollte sie nach Hause bringen? Der Betmann? Nioka hoffte es und genoß in Gedanken die verschiedenen Strafen, die sie sich für ihn ausgedacht hatte. Sie würde ihn verprügeln. Sie könnte auch einen Speer schnitzen und ihn damit töten. Oder mit einem Beil zerstückeln. All das waren überaus anregende Vorstellungen.
Und wenn die Jungen nun schon da waren? Die Geister würden sie wieder zusammenführen, dessen war sie ganz sicher.
Nioka lief wieder schneller. Der Weg zum Fluß, wo sich das frühere Lager befand, und von dort zur Farm war lang. Selbst nach Sonnenuntergang lief sie weiter, getrieben von der Freude in ihrem Herzen und der Hoffnung, daß die Jungen sie vielleicht auf Springfield erwarten würden. Die Dunkelheit stellte für sie kein Hindernis dar, und sie schlug sich durch das vertraute Gebüsch, in dem sie sich so sicher bewegte wie die Nachttiere, die an ihr vorbeihuschten. Die Sterne leisteten ihr Gesellschaft, während sie durch das offene Land lief, in dem Schafe schliefen und Dingos umherstreiften. Sie rannte geradeaus, bis sie einige Felsen erreichte, von denen aus sie in der Ferne den Fluß schimmern sehen konnte.
Im Garten neben dem Haus blühte leuchtend rot der Lampenputzerbaum, farbenfrohe Loris sausten kreischend durchs Gebüsch, hüpften wie Kobolde über die Zweige und tranken den Nektar. Weiße Kakadus, deren Schreie lauter und rauher als die der kleineren Vögel klangen, flatterten wütend in den benachbarten Baumkronen, um die Rivalen zu vertreiben. Allerdings verlieh die schiere Überzahl den Loris Sicherheit, und sie dachten gar nicht daran, das Feld zu räumen.
Louisa liebte die Vögel, doch der Lärm, den sie veranstalteten, verursachte ihr Kopfschmerzen. Sie schloß die Fenster und fuhr mit dem Sortieren ihrer Kleider fort, da der Sommer bevorstand und die leichten Kleider gelüftet werden mußten.
Im Zimmer war es jetzt ruhiger, doch der Kopfschmerz wollte nicht weggehen. Ihr machten die verbalen Auseinandersetzungen zwischen Rupe und Victor Sorgen, die fortwährend Unruhe in den Haushalt brachten.
Rupe mußte wie immer alles verderben mit seinem verdammten Egoismus. Doch es lag nicht nur an Rupe, auch Charlotte trug Schuld an der gespannten Situation. Beide waren eigensinnig und wollten stets ihren Willen durchsetzen, während Victor dazwischenstand.
Anwälte beider Seiten hatten der törichten Frau erklärt, daß sie mit ihrer Klage gegen Austins Testament keine Chance habe, doch sie bestand auf einer gerichtlichen Anhörung. Auf diese Weise wollte sie ihre Söhne daran hindern, einen Teil der äußeren Grundstücke zu verkaufen, um an das so dringend benötigte Bargeld zu gelangen. Irgendwann war Victor dann zu Zugeständnissen bereit gewesen, doch Rupe wollte nichts davon hören.
»Du gibst zu leicht nach«, warf er ihm vor. »Sie kann nicht gewinnen. Laß sie doch vor Gericht ziehen.«
»Das kostet uns nur Geld.«
»Sie aber auch. Und woher will sie es nehmen? Sie hat keinen müden Penny.«
Doch dieses Argument brachte Victor nur noch mehr auf. »Es spricht nicht gerade für uns, daß unsere Mutter keinen müden Penny hat, nachdem sie all die Jahre auf Springfield gearbeitet hat, lange bevor dieses Haus überhaupt gebaut war. Sie hat viel für Springfield getan.«
»Und dafür lebenslanges Wohnrecht erhalten.«
»Aber kein Geld.«
»Wenn sie sich entsprechend benimmt, bekommt sie auch das. In Form einer Unterhaltszahlung.«
»Ich bin nach wie vor der Meinung, wir sollten unter der Voraussetzung, daß Harry auf seine Ansprüche verzichtet, mit
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