Sterne im Sand
Die Jungen konnten längst wieder zu Hause und ganz verwirrt sein, weil alle Aborigines verschwunden waren.
Mehrere Tage vergingen, während der Mann Erkundigungen einzog. Nioka war sich nun sicher, daß die Geister ihre Hilferufe doch noch erhört hatten und ihre Rückkehr nach Springfield vorbereiteten. Sie befand sich in ihren Händen.
In der Zwischenzeit überwand sie die Abneigung gegen die Tätigkeiten, die weiße Frauen verrichteten, und ging der Misus, die als Wäscherin arbeitete, bereitwillig zur Hand. Sie erwies sich als kräftige, fähige Arbeitskraft. Lächelnd hob sie die schweren, dampfenden Laken aus dem Kupferkessel und ließ sie in den Korb plumpsen. Falls ihre Schwester sie aus ihrem Heim bei den Geistern beobachtete, wäre sie sicher mehr als erstaunt über ihren Sinneswandel. Doch diese Menschen waren nett zu ihr, ließen sie in eine Decke gewickelt neben dem Herd schlafen und teilten das Essen mit ihr. Folglich war die Hilfe, die sie ihnen beim Waschen leistete, das mindeste, was sie tun konnte.
Als der große Tag gekommen war, versammelte sich die Familie am Ende der Gasse, um sich von ihr zu verabschieden. Sie umklammerte ihren Beutel, der etwas Proviant für die Reise enthielt, und ihre gewaschenen und geflickten Kleider, die in braunes Papier gewickelt waren. Nioka kletterte auf ein Brauereigespann und ließ sich oben auf den schweren Fässern nieder. Sie winkte den Omearas zu, als sich die Pferde schnaubend in Bewegung setzten.
»Komm wieder und besuch uns!« rief Mrs. Omeara. Nioka nickte traurig, denn ihre Zuversicht schwand angesichts ihres neuerlichen Alleinseins dahin. Der Kutscher schien sich nicht im mindesten für sie zu interessieren.
Sie überquerten den Fluß und fuhren aufs Land hinaus, als die Sonne die Morgennebel zum Schmelzen brachte. Nioka merkte sich gewisse Orientierungspunkte in der Landschaft, da sie seit der Begegnung mit Mrs. Omeara fest entschlossen war, mehr zu lernen. Heutzutage war es wichtig zu wissen, wohin diese ganzen Straßen führten.
Am späten Nachmittag hielten sie in Ipswich, wo ihr der Kutscher gestattete, bei seinen Pferden im Stall zu schlafen. Am Morgen setzten sie ihre Reise fort. Die Pferdehufe klapperten über eine Brücke. Sie fuhren tiefer ins Land hinein und gelangten auf steilen Straßen in die Berge. Die Tiere mußten mit ihrer schweren Ladung kämpfen, und Nioka klammerte sich in Todesangst am Wagen fest.
Schließlich erreichten sie eine langgestreckte, flache Straße, wo ihr der Kutscher zurief: »Hier ist Toowoomba, Missy. Weiter fahre ich nicht.«
Er wies ihr die Straße nach Cobbside. »Du kannst ruhig losgehen, sicher nimmt dich einer mit.«
Auf der sandigen Straße brauchte Nioka eine Weile, bis sie genügend Mut aufgebracht hatte, um vorübergehenden Wagen zuzuwinken. Die meisten fuhren vorbei, doch endlich ließen ein Mann und eine Frau sie hinten auf ihrem Gefährt aufsitzen. Nioka fand es erstaunlich, wie mühelos Weiße sich fortbewegten. Zum ersten Mal im Leben wünschte sie sich ein Pferd. Auf der Farm hatte sie die Tiere nicht weiter beachtet, doch nun sah sie bewundernd den schlanken Geschöpfen nach, die mit ihren Reitern auf den Rücken an ihnen vorbeitrabten. Die lange Reise aus dem Land am See hatte ihr wirklich die Augen geöffnet. Eine gute Lektion, wie Mrs. Omeara sagen würde.
Der Wagen hielt an einer Kreuzung, und die Frau wandte sich zu ihr um. »Du mußt hier absteigen, wir fahren nach Cobbside.«
Nioka sprang hinunter; die Luft kam ihr bereits vertraut vor; dies war ihr eigenes Land. »Danke, Missus.«
»Gehörst du zu den Schwarzen von Springfield?«
Sie nickte. Ihre Füße sehnten sich nach der Berührung mit dem Buschland jenseits der Straße.
»Ist Mrs. Broderick schon zurück?«
»Wo ist sie denn gewesen?« fragte der Fahrer seine Frau. »Das habe ich dir doch gesagt. Nachdem Austin gestorben war, ist sie mit Harry weggegangen. Man sagt, sie sei am Boden zerstört gewesen und brauchte eine Luftveränderung. Allerdings habe ich es auch anders gehört. Da war von Streitigkeiten wegen des Testaments die Rede.« Sie sah das schwarze Mädchen fragend an.
Nioka hatte keine Ahnung, wollte aber unbedingt weiter und sagte daher aufs Geratewohl: »Nein, noch nicht zurück.«
Bevor der Wagen außer Sicht war, tauchte Nioka schon in den Busch ein, vorbei an einer großen, alten Akazie, die von gelben Blüten überquoll. Vor lauter Aufregung rannte sie meilenweit an einem Stück. Sie sog die süßen,
Weitere Kostenlose Bücher