Sterne im Sand
ihr teilen.«
»Nein, auf gar keinen Fall. Springfield gehört uns. Wir müssen einfach den längeren Atem zeigen.«
»Sei nicht so unvernünftig. So viel Zeit haben wir nicht.«
Louisa war mit ihrem Mann einer Meinung. Sie konnte es nicht ertragen, ihn so voller Sorge zu sehen. Sie hatte versucht, mit Rupe zu reden, und war entsetzt über seine Haltung.
»Halt dich da raus. Du willst Mutter doch gar nicht wieder hier haben. Hast es doch genossen, die Herrin des Hauses zu spielen. Wenn sie einen Anteil bekommt, verbringt sie den Rest ihres Lebens hier, und du rangierst wieder unter ferner liefen. Solange sie ihren Anteil aber nicht erhält, wird sie Springfield aus Prinzip fernbleiben. Überleg dir gut, wo deine Interessen liegen, Louisa.«
Das Schlimme daran war, daß er recht hatte und es auch noch so unverblümt aussprach.
Sie seufzte, ließ die Kleider auf dem Bett liegen und ging nach unten, um eine Tasse Tee zu trinken.
Als einige Tage darauf die Post kam, brachte sie die Briefe in Victors Büro und begann sie zu öffnen. Sie genoß es, bei der Büroarbeit zu helfen und Victor etwas zu entlasten. Sein Vater hingegen hätte ihre Arbeit als Einmischung betrachtet. In seinen Augen hatten allein die Männer die Farm geleitet. Er selbst hatte die gesamte Buchführung beaufsichtigt, obwohl Victor offiziell der Verwalter war. Wenn es um die Bücher der Farm ging, hatte sein Sohn höchstens die Aufgaben eines Sekretärs erfüllt. Nun aber besaß Victor seine eigene Assistentin, die all die Bücher und Unterlagen überaus interessant fand.
Louisa sortierte die Zeitungen und Magazine aus, legte Rechnungen sorgfältig ab, las einen fröhlich klingenden Brief ihres Vaters und ging Rundschreiben durch, die aktuelle Informationen über Woll- und Viehverkäufe enthielten. Lächelnd schaute sie hoch. Endlich hatte sie eine Beschäftigung gefunden, die ihr zusagte. Welch eine Erleichterung!
Seit Austins Tod waren zwei Monate vergangen, und Charlotte vermißte ihn nach wie vor. Sie konnte es noch immer nicht fassen, daß er tatsächlich tot war. Der Schmerz war ein Dauergast in ihrem Herzen geworden. Nicht, daß sie in Brisbane der Gesellschaft ihres Mannes bedurft hätte – es gab hier viel zu tun. Der Schmerz reichte tiefer und erzeugte eine grausame Leere.
Sie wußte, daß Richter Walker und andere Freunde es seltsam fanden, daß sie Austins deutlich dargelegten letzten Willen anfechten wollte und dennoch um ihn zu trauern schien. In der Tat hielt man sie offensichtlich für eine Heuchlerin, doch das war nicht ihr Problem. Wie könnte sie denn auch erklären, daß diese Frage jahrelang an ihr genagt und sie sich nur nicht getraut hatte, sie offen auszusprechen?
Mittlerweile wünschte sie sich natürlich, sie wäre früher ein wenig mutiger gewesen, doch damals wäre es ihr nicht im Traum eingefallen, daß ihre Söhne sich weigern könnten, ihr zu ihrem Recht zu verhelfen. Oft genug hatten sie sich über Austins altmodische Ansichten beklagt, und sein Testament war ein typisches Beispiel dafür. Wie dumm von ihr zu glauben, sie könne sich auf ihre Kinder verlassen!
Ihre Räume im Park Private Hotel waren sehr komfortabel und boten einen herrlichen Blick auf den Botanischen Garten, in dem sie oft Abendspaziergänge unternahm. Dennoch vermißte sie Springfield. Sie hatte im Hotel einige Damen kennengelernt, die ständig dort lebten und der frisch verwitweten Mrs. Broderick überaus freundlich begegneten. Einige von ihnen waren ebenfalls verwitwet und bemüht, ihr zu helfen, doch Charlotte ging ihnen möglichst aus dem Weg. Ihr Leben schien aus ständigen Teekränzchen und anderen Mahlzeiten, Kartenpartien und Einkaufsbummeln zu bestehen, für die sie sich nicht im geringsten interessierte. Sie vermißte das geschäftige Leben auf Springfield, die Verantwortung, die der Haushalt mit sich brachte, die endlosen Aktivitäten im Freien … Charlotte hatte nie gern im Haus gehockt.
In dieser sterilen Atmosphäre vermißte sie plötzlich die maskuline Welt der Schaffarm. Männer bei der Arbeit. Reiter. Den Auftrieb der Schafe. Den hart arbeitenden Schmied, der dennoch immer zu einem Schwätzchen aufgelegt war. Die Zureiter, die hinter den hohen Zäunen pfiffen und mit der Peitsche knallten. Die ernsthaften Diskussionen im Zuchtstall, in dem Schafe mit edlem Stammbaum ihre schöne Wolle zur Schau trugen. Das Gelächter der Viehhüter. Die Aufregung in den großen Schuppen während der Schur. All das gehörte zu
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