Sterne im Sand
ihre Mutter recht gehabt hatte. Sie lebte in der rauhen Welt des Busches, während ihr Bruder Mitglied der eleganten Gesellschaft von
Brisbane war. Dank des Familienvermögens hatte er sogar mit seiner Braut eine Reise nach Europa unternehmen können, während sie, Ada Crossley, nie von zu Hause weggekommen war.
Mit einunddreißig heiratete sie gegen den Willen ihrer Mutter einen Scherer, einen hoffnungslosen Trinker, der ins Herrenhaus einzog und sich benahm, als sei es sein eigenes. Eines Abends war er zu weit gegangen. Im Rausch hatte er sich mit einem Gürtel auf Ada gestürzt, doch diese, gestählt durch die Erfahrungen in der rauhen Männerwelt, entwand ihm den Gürtel und schlug zurück. Auf Dauer konnte sie es jedoch nicht mit ihm aufnehmen; seine Fausthiebe und Tritte trafen sie, bis ihr Gesicht von blauen Flecken übersät war und mehrere Rippen gebrochen waren.
Als Ada reglos in der Ecke lag, weinte er und bettelte sie aus lauter Angst um Vergebung an. Danach rannte er um sein Leben, zu Recht, denn Jock verfolgte ihn mit einem Gewehr. Der Rest der Geschichte blieb im Dunkeln.
Es hieß, er habe sich ein Pferd geschnappt und sei nach Springfield geritten, um dort Zuflucht zu suchen. Alle Männer von Lochearn waren ihm auf den Fersen. Man erzählte sich auch, er sei bei einem Sturz vom Pferd umgekommen, als er auf Broderick-Land über eine ausgetrocknete Wasserrinne springen wollte. Ada jedoch bezweifelte das. Als man seine Leiche fand, wurde sie in einem verschlossenen Sarg nach Lochearn gebracht und dort bestattet. Sie durfte ihren Mann nicht noch einmal sehen, wollte es auch gar nicht.
Kurz darauf legten Austin Broderick und Jock ihren Streit, den sie über ein herrliches Stück Weideland geführt hatten, sang- und klanglos bei. Austin erhielt das Grundstück ohne weiteren Protest zugesprochen.
Was sollte sie davon halten? Sie war überzeugt, daß sich Austin und ihr Vater um den Mann gekümmert hatten, der sie beinahe getötet hätte; mehr wollte sie gar nicht wissen.
Zum Glück war sie ihn los.
Nun dachte sie über Charlottes Situation nach. Da sie forscher als diese war und es mit einem Mann zu tun hatte, der nicht ihr über alles geliebter Gatte, sondern nur ihr Vater war, hatte sie ihn geradeheraus gefragt, welche Stellung sie nach dem Tod ihrer Mutter laut seinem Testament auf der Farm einnehmen würde. Zu ihrer Erleichterung erfuhr sie, daß sie und ihr Bruder Lochearn zu gleichen Teilen erben sollten. Darüber hinaus besaß sie Wohnrecht auf Lebenszeit. Ada hatte immer zu Charlotte aufgesehen, die ihr unter anderem dabei geholfen hatte, nach dem Tod ihrer Mutter in der Gesellschaft Fuß zu fassen. Durch sie lernte sie die Mitarbeit in den Clubs und Vereinigungen der Landfrauen schätzen und begann Frauen und Kinder auf abgelegenen Besitzungen zu unterstützen. Erst dabei wurde ihr bewußt, wie sehr die stille Charlotte anderen Menschen half. Mittlerweile hatte Ada mit dem Segen ihrer Freundin viele soziale Aufgaben übernommen. Sie war Präsidentin mehrerer Organisationen, hatte Listen von fähigen Hebammen aufgestellt, ihr Heim zum Zentrum der Leihbücherei für Damen gemacht und bezahlte aus eigener Tasche eine Krankenschwester, die die Pflege und Ernährung kleiner Kinder überwachte.
Ada galt als Kraftquelle des Bezirks, worauf sie stolz war. Der ungeheure Andrang beim Rennen bot ihr eine weitere Gelegenheit, reine Frauenversammlungen abzuhalten, bei denen Probleme besprochen und Lösungen angeboten werden konnten.
Doch sie würde niemals wieder heiraten.
Als sie erfuhr, daß Austin Springfield seinen beiden Söhnen hinterlassen hatte, so daß Charlotte praktisch wie eine Haushälterin in ihrem eigenen Heim leben mußte, geriet sie außer sich. Bevor sie Charlotte besuchen konnte, hatte diese die Farm bereits verlassen. Die restlichen Informationen erhielt sie von ihrem Bruder, Richter Walker, und betrachtete die Haltung von Victor und Rupe Broderick fortan als verachtenswert.
Gewöhnlich waren die Brodericks als Nachbarn und enge Freunde gerngesehene Gäste auf Lochearn. Als Ada nun Rupe, den weithin bekannten Schürzenjäger, auf das Haus zukommen sah, ging sie ihm sofort entgegen. Eigentlich wollte sie ihn von ihrem Grund und Boden weisen, was jedoch Aufsehen erregt und ihren Vater vermutlich verärgert hätte. Also begrüßte sie ihn statt dessen kühl und abweisend.
»Guten Tag, Rupe. Sind Victor und Louisa auch mitgekommen?«
»Nein, sie haben sehr viel zu tun.«
Darauf
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